I. Pathologie, Therapie und medicinische Klinik. 473
gan des Kreislaufs sollen vorzugsweise bei Blutungen ohne
Aderlässe sich nicht erholen können. Die Furcht vor Blutan-
häufung in den Lungen, vor Rückbleibseln, die eine Kutzün-
dung und KEiterung hervorrufen sollen, wird uns Indication,
schon ganz erschöpften Kranken noch mehr Blut zu entleeren,
um sie sicher dem Tode zu weihn. Dass aber ein Uebel, wie
die Tuberkeln, an und für sich unheilbar, durch Blutentzie-
hungen nur verschlimmert wird, wollen leider viele Aerzte
nicht einsehen, Sie rühmen die beruhigende Wirkung des
Aderlasses in der Hämoptoe und dennoch kehrt oft nach einigen
Stunden bei heftigem Hustenreiz die Blutung wieder. Erst jetzt
hält man die Krankheit in Folge zu grosser Blutung für ady-
namisch , man schreitet zum Kochsalz, zu den Säuren, zu den
Narcoticis, Die Blutung steht und man freut sich über die
Wirkung des vorausgegangenen Aderlasses, Nirgends ist der
Missbrauch des Blutlassens weiter getrieben als gerade in der
Hämoptoe und gewiss würde mancher Kranke länger erhalten
seyn, hätten nicht zu viele Aderlässe seinen Organismus zuletzt
zerstört. Wenn es ausgemacht ist, dass die Blutung bei Tuber«
keln nur symptomatisch ist, so folgt hieraus von selbst, dass
unsere Behandlung mehr gegen die Tuberkulose, als gegen die
Blutung gerichtet seyn muss. Der Grad der tuberkulösen De-
generation muss deshalb auch die Anwendung der Mittel be-
stimmen. Wirkliche Erweichungen können durch Aderlässe
nur noch vermehrt werden. Kin entzündlicher Zustand ist zu-
Jetzt das einzige Mittel, wodurch die Natur tuberkulöse Höhlen
heilt. — Hindern wir durch zu vieles Blutlassen dessen Aus-
bildung, so kann der Naturprocess nur gestört werden, Das
Stethoscop zeigt uns die Veränderungen, die nach Lungenblu-
tungen in den tuberkulösen Höhlen vorkommen , nur zu deut-
lich, Die ausgesprochenste Aegophonie verwandelt sich in ein-
fache Pectiroloquie und besteht ein gelinder entzündlicher Reiz
fort, so verschwinden bisweilen alle Erscheinungen, die das
Stethoscop darbietet, nur der Durchgang der Luft an einzelnen
Stellen des Lungengewebes wird undeutlieh, wodurch auf die
beginnende Adhäsion geschlossen werden kann. Jeder Arzt
wird eingestehen , dass er bei Lungenblutungen , wenn sie sich
bei einem Kranken oft wiederholen, zuletzt die Aderlässe un-
terlässt und dass die folgenden Blutungen dann von selbst auf-
hören, wenn sie auch öfters mehrere Maass betragen, auch
Ysst sich nicht läugnen, dass Recidive durch Blutlassen nicht
verhütet werden können. Nach meinen Erfahrungen leistete bei
wirklichen Tuberkeln der Aderlass wenig. Leider kennen wir
bis jetzt kein Mittel, was im Stande wäre, die Ausbildung
der Tuberkeln zu verhüten, oder ihren Verlauf zu unterbre-
chen. Die Hauptsache bleibt bei allen Blutungen in Folge von
Tuberkeln die grösste Ruhe des Lungenorgans. Der Kranke