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11. Materia medica und Toxikologie,
solchem Zucker in den Mund gesteckt, Auf ein Mal habe das
Kind gesagt, das schmeckt garstig. Er habe dies für Spass
zehalten. Nicht lanze darauf aber habe das Kind Aufstossen,
Würgen und’ Erbrechen bekommen und heftig über den Leib
geschrieen, Nun erst habe er in die Tasche gegriffen, den
Zucker besehen und zu seinem Schrecken entdeckt, dass unter
dem Zucker mehrere Bröckchen Grünspan befindlich waren.
In Todesangst käme er nun zu mir und bäte um Hülfe , indem
er sonst verzweifeln müsse. Ich fand das Kind in folgendem
Zustande: heftiges Würgen, Schlucken, Erbrechen, Diarrhöe,
Kolikschmerzen, das Gesicht kühl, die Hände kalt, den Puls
klein, sehr frequent, leichte Zuckungen und die Kräfte sehr
gesunken. Ich nahm sofort das Eiweiss von 3 Eiern, ver
mischte solches mit Zucker, und liess fleissig einen Thee-
löffel voll davon nehmen und nebenbei Zuckerwasser trinken.
Anfangs folgte noch reichliches, jedoch leichteres Erbrechen,
ailmählig liessen aber Würgen, Kolikschmerzen und Diarrhöe
nach, die Wärme der Hände kehrte wieder und den an-
dern Morgen fand ich das Kind gesund, nur sehr erschöpft;
Nachkrankheiten zeigten sich aber nicht. Wahrscheinlich hat
der Grünspan im gegenwärtigen Falle weniger intensiv einge=
wirkt, weil er mit Zucker vermischt gereicht wurde. Ich bin
im vorliegenden Falle den von Buchner (vollständiger Inbe-
griff der Pharmacie, 7. Bd. 8. 305. Pag. 420) ertheilten Vor-
schriften gefolzt, da die Kupfersalze die Eigenschaft haben,
den Eiweissstoff zu coaguliren, und damit eine blaue, unauflös-
liche Verbindung eingehen, wodurch nach Orfila’s Versuchen
die giftige Wirkung der Kupfersalze aufgehoben wird. Aus-
serdem hat man noch folgende Gegenmittel gegen die Vergif-
tung mit Kupfersälzen empfohlen: 1) ein stark mit Schwefel-
wasserstoff angeschwängertes Wasser, weil dasselbe das Kupfer
als Sch wefelkupfer niederschlage, 2) Den Zucker, was sich aller»
dings chemisch nicht gut erklären lässt, denn Ure’s Ansicht, Hand-
wörterb, S. 632, dass das Kupfer mit dem Zucker eine so innige
Verbindung eingeht, dass es durch chemische Reagentien nicht
mehr entdeckt werden soll, hat sich nach neuern Untersuchungen
nicht bestätigt. 3) Die auflöslichen pectischsauren Salze (nach
Braconnot, in Trommsdorfis n. J. XI 1.8. 134.) wodurch
die Kupfersalze sogleich coazulirt und pectischsaure Metallsalze
gebildet werden. — 2) Vergiftung mit Leipziger Grün,
(Kupter-Arsenik.) Am 12. Jon d. J, wurde ich eiligst zu
dem Töpfermeister J. gerufen, indem derselbe, seine Frau;
Schwiegermutter, 2 Kinder und die Magd seit gestern Mittag
nach dem Genusse von Spinat schwer erkrankt waren. Bet
meiner Ankunft war J’s, Schwiegermutter eben ohnmächtig ge-
worden, J. selbst, der heute schon 2 Mal umgefallen war,
laumelte in der Stube herum, ebenso die Magd; die Frau und