ji. Pathologie, Therapie und medicinische Klinik. 271
Pat. über einen Schmerz in der Gegend der Unterzungen-Spei-
cheldrüsen, ohne, dass sich daselbst, ausser vermehrter Rüthe,
etwas Krankhaftes entdecken liess. Der obere Theil der Rü-
ckensäule zeigte sich beim stärkeren Drucke etwas empfindlich;
die Augen waren sehr lichtscheu, und ein grelleres Licht brachte
dieselben Erscheinungen hervor, wie beim Versuche zum Schlin-
gen. Zugleich klagte der Kranke über einen drückenden Schmerz
in der Gegend der Augenbraunen und über bedeutende Harn-
atrenge; der Herzschlag wurde sehr stark gefühlt, der Puls
häufig, aber rhyihmisch und sehr weich. Die Kräfte hatten
sehr abgenommen, so dass Pat. nicht lange die aufrechte Stel.
Jung des Oberkörpers vertrug. Gegen die achte Abendstunde
brach wirkliche Tobsucht aus; beim Eintritte des Anfalles wurde
der Kranke plötzlich sehr unruhig und ängstlich, athmete schwer
und seufzte oft, .Die Auzen drängten sich aus ihren Höhlen
vor, dann sprang der Kranke unter lautem Geschrei von seinem
Lager auf und fiel seine Wärter an, wobei er beständig blus
tigen Speichel ‚mit grosser Gewält nach allen Richtungen aus«
spie. ‘ Die Physiognomie veränderte sich ganz, das Gesicht
wurde blass, verzerrt, die Augen sanken ein, die Pupillen wa-
ren weit, unbeweglich, aus dem Munde floss anhaltend eine
Menge zäher Speichel, die Glieder zitterten. Nach 3—4 Mi«
nuten endigte der Anfall, der Kranke wurde wieder ruhig,
seiner bewusst, und antwortete auf die Fragen. Kr weinte
und betete, und gab zu verstehen, dass er seine Krankheit
kenne und seinen baldizen Tod voraussehe. Nur der Athem
blieb auch in den ruhigen Augenblicken beschwert und ungleich,
das Herzklopfen stark, so wie auch der Auswurf des blutstrie-
migen Speichels. Nach kurzer Ruhe folgte ein neuer Anfall
mit beständigem Bestreben, den Wächtern zu entfliehen, so
dass der Kranke an sein Lager befestigt werden musste, All-
mählig wurden jedoch die Paroxysmen kürzer und der Kranke
starb in der zehntea Abendstunde ziemlich ruhig. — Beide
eben erzählte Fälle zeigen auf auffallende Weise, welchen gras-
sen Kinfluss die Constitution der Kranken auf den ganzen Ver-
lauf sowohl, als auf die einzelnen Erscheinungen der Krank-
heit ausübt. Bei dem ersten Kranken, einem robusten, gesun-
den Mauone, trat die Krankheit in ihrer grössten Heftigkeit auf
und erschöpfte sich in lange anhaltender Tobsucht, während
bei dem Andern, einem schwachen, stets kränklichen Knaben,
das Uebel einen mehr schleichenden , aber nicht minder verderb-
lichen Verlauf nahm und schon nach zwei oder drei schwachen
und kurzen Wuthanfällen die geschwächten Lebenskräfie ganz
aufgezehrt hatte. Bei dem KErstern war die Krankheit mehr
entzündlich, worauf die grössere Anfregung der gesammten Ir-
ritabilität, der vermehrte Turgor, die Röthe des Gesichtes, der
Volle, grosse, harte Puls, die ausserordentliche Körperkraft