132. IL. Pathologie, Therapie und medicinische Klinik,
Seltenheiten. Gleichwohl hatte man damals, als noch die
natürlichen Blattern eingeimpft wurden, gewiss häufiger Gele-
genheit, dergleichen Fieber zu sehen. — Unter den vielen
Pockenepidemieen von 1834 zeigte sich auch in einem Dorfe
bei Magdeburg eine so bösartige, dass viele Kranke weggerafft
wurden. Der Grund dieser Bösartigkeit lag in dem nervösen
Character des Fiebers, das dem Exantheme vorherging und
dasselbe begleitete. Der Blatternausbruch erfolgte gewöhnlich
ungemein spät und kam dann nur kümmerlich zu Stande. Das
endlich erscheinende Exanthem war oft schnell wieder ver-
schwunden, und suflocatorischer oder apoplectischer Tod ge-
wöhnlich die Folge davon, weswegen auch die meisten Sterbe-
fälle schon im Eruptionsstadium sich ereigneten. Einer solchen
Epidemie die hier nur in ihren Hauptumrissen geschildert wer-
den konnte, gehörte auch der Kranke an, von dem im Folgen-
den gesprochen wird: Ein 19jähriger, kleiner und schwächli-
cher Bursche aus besagtem Dorfe wurde am 2, April des ge-
nannten Jahres M. zur Behandlung übergeben, Bei seiner
Herrschaft erkrankt, hatte er den sehnlichen Wunsch geäussert,
zu seinen in Barleben wohnenden Eltern gebracht zu werden,
und, ohne dass ein Sachverständiger um Rath gefragt wurde,
wurde dies vollzogen. Man war zwar so vorsichtig gewesen,
den Burschen in einem verdeckten Wagen und in Betten ge-
packt bei seinen Eltern abzuliefern; aber der ganze Vorgang
behielt ‚doch viel Missliches, besonders wenn man die Eigen-
thümlichkeit der Epidemie erwog. — M. überzeugte sich 80-
gleich bei ihm von einer Blatternkrankheit, die sich ganz ihrer
Herkunft gemäss entwickeln zu wollen schien. Denn das schon
seit 4 Tagen dauernde Fieber, was sich durch Eingenommen-
heit des Kopfes, stille Delirien, Sehnenhüpfen und andere hier-
her gehörende Nervenzufülle äusserte, der Blatterngeruch und
die gleichwohl noch immer zögernde Eruption des Exanthems,
Rüssten jene Besorgniss nur noch mehr ein, — Da M. jene
nur aus Mangel an Reactionskraft bei dem Kranken erklären
zu müssen glaubte, die zur Hervortreibung des Exanthems nicht
auszureichen schien; da er auch, in Uebereinstimmung hiermit,
den Puls klein, die Temperatur im Hautorgane gesunken und
sonst keine gastrische oder andere Complicationen vorfand, 0
begann er seine Cur mit einem concentrirten Aufzusse der Va-
leriana, dem er den Liquor €. C. succinat, zusetzen und wo-
von er stündlich einen Esslöffel voll nehmen liess. Gleichzeitig
wurden kräftige Hautreize applicirt, ‚die niedere Temperatur
des Zimmers durch mässige Ofenheizung erhöht, dem Kranken
ein Bett angewiesen, was vor jeder Zugluft gesichert war,
Jauwarme diaphoretische Getränke gereicht u. s, w. Nach
einer unruhigen Nacht, und bei endlich warmer, duftender
Haut, war demnoch am andern Morgen keine Spur von Blattern