Full text: (Neueste Folge, Band 5 = 1837, No 9-No 16)

78 1. Pathologie, Therapie und mediecinische Klinik. 
wäre nicht die Therapie der Brustkrankheiten, wenn man alle 
nicht anders als mit Antiphlogisticis zu behandeln wüsste. Den 
Hirnleiden aber muthet man dies zu, wie Romberg mit Ernst 
gerügt hat. Man darf es überhaupt nicht verkennen, dass die 
gesamınte Entzündungstheorie zu einer bedeutenden Reform reif 
ist, indem es Noth thut, einer Menge von Krankheitsprocessen 
ihre Stelle anzuweisen, die, unstreitig der Entzündung mehr 
oder weniger verwandt, dennoch weder ihrer Bedeutung, noch 
ihrer Eiehandlung nach mit ihr zusammengeworfen werden kön- 
nen, z, B, Tuberkeln und ähnliche Alterbildungen, Dothiente- 
rie und vor Allem die Erweichungen. — Dass die Lehre von 
den Hirnentzündungen und ibren verwandten Krankheitssippen 
vorzugsweise im Argen’ liegt, darf nicht befremden, wenn man 
an die Jugend dieser Doctrin denkt. Die Alten kannten mit 
deutlichem Bewusstsein nur \*die entzündliche Congestion und 
eine einzelne Form der Meningitis; erst das Ende des vorigen 
Jahrhuriderts fügte klarere Erkenntniss des Hydrocephalus acu- 
tus hinzu und die Kenntniss der eigentlich ganz unpassend so 
genannten Cephalitis ist trotz der zahlreichen trefflichen Vorar- 
beiten der neuesten Zeiten noch immer im Werden. Sonach 
können die practischen Aerzte, die auf Beobachtung am Leben- 
den hingewiesen sind und denen die pathologische Anatomie 
zunächst mehr ein Mittel zur Berichtigung der Diagnose ist, 
vorläufig nicht umhin, die auf einen bestimmten Symptomencom- 
plex basirten alten Krankheitsnamen wenigstens theilweise bei- 
zubehalten. Apoplexie z. B., die noch am meisten characteri- 
stisch auftretende Form von Hirnkrankheiten, wird jetzt mit 
Haemorrhagia cerebralis identilicirt: was nützt es aber von 
Blutßüssen des Hirns zu reden, bei denen die Section eben 
keine Blutergiessung , sondern blosse Congestion , oder Wasser- 
ergiessung oder Erweichung, uder auch gar nichts nachweist? 
Müssen doch die neuern französischen Kliniker schon einen 
Coup de sang (Schlagfluss in symptomatischer Bedeutung) von 
Apoplexie (Hirnblutung) unterscheiden, was zuletzt auf verwir- 
rende Spielerei mit Namen hinausläuft. Kine streng wissen- 
schaftliche, überall auf pathologische Hergänge basirte Nomen- 
clatur muss man schon den Nachkommen überlassen! Auch ist 
wirklich die grössere Wissenschaftlichkeit der auf Sectionen 
basirten Krankheitsnamen nur scheinbar. Lässt man Hämarrhagie, 
Erweichung etc. als selbstständige Krankheiten gelten, so hat man 
eine krasse Symptomatik am lebenden Organismus nur mit einer 
gleich krassen am todten vertauscht! — Auf diese Einleitung lässt 
der Verf. einige Beobachtungen und Eemerkungen über verschie- 
dene, minder gewöhnliche, acute Erkrankungen des Hirns fol- 
gen und zwar: I. über Hirnleiden bei Phthisikern, 
Während Phthisiker in der Regel bis kurz vor dem Tode nicht 
bloss Bewusstsein, sondern auch bewunderungswürdige Freiheit
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.