124 1], Materia medica und Toxikologie,
gelebt und während er am Tage und Wochenlang am Schreib-
tische mit Aufinerksamkeit arbeiten musste, opferte er In der
freien Zeit dem Bacchus und der Venus, trank schwere Biere
und Branntwein und warf sich der Venus vulgivaga in die
Arme. Auf diese Weise litt die Verdauung, die Kräfte san-
ken und er erhielt sich nur dadurch, dass er das schwankende
Leben durch geistige Getränke unterstützte. Obwohl der Geist
wundersam rege und lebhaft blieb, bemerkte er doch Stillste-
hen aller natürlichen Functionen, vermochte nicht zu essen, die
Bewegungen wurden matt, die Kraft der Hände erlosch und
die Feder fiel aus der Hand. Meist aber wurde er das Schwinden
der Lebenskraft daran gewahr, dass ihm das Vermögen zum Ge-
hen und Stehen, ja sugar zum Sitzen versagte; er brach plötz-
lich zusammen, und vermochte zuerst sich nur langsam wieder
zu erheben, endlich wurde die Fortbewegung immer schwieri-
ger und zuletzt ganz unmöglich, auch‘ stehen konnte er nicht,
er brach zusammen und wenn er auf einem Stuhle sass, glitt
er bald von demselben herab. Anfangs hatte er noch Gefühl
in den Gliedmassen, dann hatte sich Ameisenkribbeln in Zehen«
und Fingerspitzen eingefunden, und endlich Kälte und Gefühl-
losigkeit, zuletzt konnte er nicht unterscheiden, ob er Beine habe,
oder nicht, Diese Gefühllosigkeit entsprang vom Ende der
Tendenwirbel und erstreckte sich zunehmend bis in die .Zehen,
Pat. magerte ab, die Verdauung wurde schwierig, Stuhlgang
und Urin wurden zwar mit Bewusstsein entleert, doch sehr
langsam und der Leibesöffnung wegen musste man vielfach Kly-
stiere geben. Die obern Gliedmassen konnte Pat, zwar voll-
ständig gebrauchen, doch feine Gegenstände, Federn, Nadeln
etc, konnte er nicht festhalten und hatte nicht das Gefühl eines
angefassten leichten Gegenstandes. Das Athmen war natürlich,
die Sinneswerkzenge schienen unverletzt und die geistigen Fä-
higkeiten keinesweges aufgehoben, doch zeigte er .ein stetes
stupides Lächeln und nicht die mindeste Lust sich zu beschäf-
tigen, Die Esslust war schwach, doch nicht ganz verloren.
Schmerzen fanden sich nirgends, Man nannte das Uebel Ta-
bes dorsualis und die Art der Lähmung Paraplegie. Arnica
mit Campher, Extr. Nuc, vomic., Tinct. Colocynth. , letztere
auch zur Erhaltung der Leibesöffnung, Einreibungen von Ol,
aether. Sinapeos etc. wurden angewendet und wirklich mit dem
Erfolge, dass sich die Lebenskraft des Kranken hob, dass er
ausser Bette sitzend zubringen konnte, dass die Esslust zunahm,
die Digestion sich regelte, die Kraft in die obern Extremitäten
so wiederkehrte , dass er sich darauf stützen konnte, dass er
heiter wurde, am Gespräche Theil nahm, endlich zu lesen an-
fing und wieder schreiben konnte, Doch konnte er sich keinen
Zoll von der Stelle bewegen und wenn er aufstand, fiel er zu-
sammen, Im erwähnten Zustande war Pat. am 25, Feb. ins