Full text: (Neueste Folge, Band 5 = 1837, No 9-No 16)

1220 I], Materia medica und Toxikologie. 
Kranker, ein Schneider, schrieb auch ganz richtig, doch konnte 
er nie das rechte Wort aussprechen, sondern bezeichnete Alles 
mit selbstgeschaffenen Worten, Solche Kranke sah aber E, 
aach und nach genesen, sie lernten wieder die Sprache und 
verlernten mit der Zeit die, welche sie unwillkürlich angenom- 
men hatten, sie gelangten eben so langsam zur Ueberzeugung; 
dass sie wirklichen Unsinn sprächen und nun gaben sie sich 
alle Mühe, ihren Fehler gut zu verbessern.‘ Nur das Gedächt- 
niss litt bei dieser Lähmung, nicht das Urtheil. In diesen Fäl- 
(len hat der Verf. vorzügliche Wirkung vom Senfe erfahren, 
'den er unter ‚allen Bereitungen brauchen , theils ihn mit Zucker 
auf die Zunge nehmen und sanft verschlingen, oder auch wie= 
der ausspeien Hess, theils ihn im Aufguss verordnete, oder den 
Speisen zuseizte, oder was er besonders nützlich fand, dem 
Kaffee beimischte. Die uralte Erfahrung, dass der Senf das 
Gedächtniss stärke, fand sich auch hier vielfach bestätigt. Die 
partiellen Lähmungen der Zunge betreffen übrigens nur selten 
den Geschmackssinn, sondern die Bewegungsfähigkeit der Zunge 
und hierdurch das Sprachvermögen und beziehen sich sonach 
nach Panizza und Magistell auf den Nervus hypoglossus und 
Glossopharyngeus. Diese Lähmungen sind vielfach heilbar, so 
‚wie die partiellen überhaupt und hier gedenkt der Verf. zuerst 
eines Mittels in Lähmungen, das nach den Schriftstellern so 
{grosse Wirkungen hervorbringt, oder keine, des Strychnins, 
Nie oder nur selten nützt dasselbe in Hemiplegieen, zumal 
wenn mit diesen tiefes Hirn- und Rückenmarksleiden noch vor« 
kommt. Soll es nützen, so müssen, diese Hirn- und Rücken- 
marksleiden sehr vermindert, die Ursachen derselben, wenig- 
stens grossentheils, beseitigt und die Nerven nicht die Fähig- 
keit verloren haben, durch passende Reizmittel erregt werden 
zu können. Das Mittel zeigt sich also nur da besonders nütz- 
lich, wenn die Lähmung in keinem materiellen Grunde beruht, 
oder dieser gehoben ist und wenn dieselbe von verminderter 
Nervenkraft herrührt. Englische und französische Aerzte haben 
das Strychnin in mancherlei Arten der Lähmung empfohlen und 
am gründlichsten schienen die Beobachtungen von Bardsley, 
der viele Fälle anführt, wo das Strychnin heilsam war, E. 
hat, so lange das Strychnin bekannt geworden ist, dasselbe 
vielfach angewendet und es überall, namentlich in partiellen 
Lähmungen nach jenen Modificationen sehr wirksam befunden. 
Neuerlich fanden sich im Allerheiligen Hospitale mehrere Fälle 
vor, an denen er die Wirksamkeit und Wirklosigkeit des Mit- 
tels practisch erproben konnte. Bei zwei an Tabes dorsualis 
und davon herrührender Lähmung leidenden Frauenzimmern 
nutzte das Mittel gar nichts, bei drei andern Gelähmten, wo- 
von Einer, höchst wahrscheinlic hin Folge einer Apoplexie, halb- 
seitig gelähmt war, der Andere in Folge grosser Erkältung und
	        
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