1. Materia medica und Toxikologie. 109
43. Merkwürdige Folgen einer Bleivergiftung;
vom Prof. Dr. Hornune in Salzburg. Ein 46jähriger melan-
cholischer Taglöhner hatte schon 1834 versucht, sich durch
Schwefelsäure zu ermorden, Den 12. Nov. 1835 Morgens
nahm er 4 Pfund Bleizucker in trockener Form, worauf so-
gleich Uebelkeit und Erbrechen eintraten, welches letztere man
durch reichliches- Milchtrinken unterhielt, Um. 12 Uhr wurde
er, wie folgt, ins Spital gebracht. Der Kopf war eingenom-
men, schwindlich, das Gesicht eingefallen, die Zunge stark be-
legt, der Durst mässig, in der Magengegend fanden sich drük-
kende, spannende und zusammenschnürende Schmerzen, die Na-
belgegend war eingezogen, beim Drucke sehr empfindlich, die
Haut mit kaltem Schweisse bedeckt, der Puls hatte 60 Schläge
und war zusammengezogen, Leibesöffnung war nicht zugegen
gewesen und das Erbrechen dauerte schwach fort. Man suchte
Letzteres durch Ipecac. und vieles Trinken anzuregen, wodurch
Klumpen von Schleim und Bleizucker ausgeworfen wurden,
Nachmittags traten neben den krampfhaften entzündliche Sym-
ptome auf, denen man durch Aderlässe, Blutegel, Calomel mit
Opium, Oelmixtur mit OZ. Ricin, und Einreibungen von O7
hyosc. mit Laud, liq. S. an diesem und den folgenden Tagen
begegnete. Als Antidota wurden Schwefel, Schwefelsäure,
Alaun innerlich und Schwefelleberbäder angewendet, Die Em-
pfindlichkeit ‚des Unterleibs verlor sich bis auf die Pylorusge-
gend, die zugleich mässig anschwoll, Allmählig trat chroni-
sches Erbrechen auf, wodurch Speisen und Getränke oder bräun-
liche Flüssigkeit gewöhnlich. des Abends ausgeworfen wurden,
Pat. magerte zum Scelete ab und ‘zeigte die nach Bleivergif-
tungen gewöhnlichen Symptome der Paralyse, die sich hier als
Paraplegie aussprach, Der versuchten Hülfe ungeachtet erfolgte
am 4. Jan. 1836 der Tod. Bei der Section fand sich das Cra-
nium 4— 6 Linien dick, compact, die Dura mater verdickt,
mit Lymphausschwitzungen am Sichelbehalter, die Arachnoidea
getrübt, mit der Pia mater fest verbunden, und unter letzterer
und den Eirnhöhlen eine mässige Quantität Serum, Im ganzen
Hirn war die graue Substanz in talgartig schmierige Masse um-
geändert und die weisse fester als gewöhnlich. Der Brustkorb
zeigte nichts Ungewöhnliches, Das Herz war klein, fest, der
Unterleib in der Nabelgegend eingezogen, das Bauchfell trok-
ken und der Magen um das Fünffache seines Umfangs ausge«
dehnt, so dass derselbe von einem Hypochondrium zum andern
reichte und die Leber bis zur fünften Rippe aufwärts drängte,
Er enthielt theils Luft, theils bräunlich-grünlich flockige Flüssig«
keit, die Wände desselben waren an der offen stehenden Car-
dia und im ganzen Umfange bis zum Pylorus ausgedehnt, ver-
dickt, die Schleimhaut ohne Falten in braune Sulze erweicht
und grösstentheils mangelnd, das unterliegende Zellgewebe mit