92 I. Pathologie, Therapie und medicinische Klinik.
Var im Ganzen, bis auf eine Flasche Weins des Tags, sehr ein
fach. Am 2. April 1836 zu Tische eingeladen, sagte er schon
•während der Mahlzeit, dass er fühle, dass er krank werde,
ass und trank wenig, blieb wider Gewohnheit 3^} Stunde am
Tische sitzen, ohne ein Mal Urin zu lassen, den er früher we
nigstens alle 2 Stunden entleeren musste und begab sich später,
als er zu Hauseging, erhitzt bei stürmischem Wetter und von hefti
gem Drange zum Uriniren gequält, da er ziemlich entfernt wohnte, an
einem dem Zuge sehr ausgesetzten Ort, um den Urin zu lassen. Zu
Hause gekommen, stellte sich bald bedeutender Trieb zum Haren
ein, wobei aber noch freiw illiger Abgang eintrat, doch mit häufigem
Drängen. Um 10 Uhr Nachts erschien wieder starker Trieb und
auch dieses Mal floss noch der Harn freiwillig und ungestört
ab. Nachdem er eine Stunde ruhig geschlafen, weckte ihn
abermaliger Trieb und kurz darauf wurde er zu einem kranken
Kinde gerufen. Bei der Rückkunft empfand er, da er sich dem
regnigen und windigen Wetter ausgesetzt hatte, bedeutend hef
tige Schmerzen in der Blase und es stellte sich völlige Ischurie
ein. Am Morgen des 3. Aprils stiegen die Schmerzen immer
mehr, so dass er eiligst zum General-Stabsarzt Bäu in ler
schickte und ihn bitten liess, mit dem Catheter zu kommen,
indem es ihm ganz unmöglich sei, zu uriniren. Wegen Dienst
verhältnisse konnte B. erst um 9 Uhr kommen. Er fand den
Kranken sehr aufgeregt, über fürchterliche Schinerzen klagend
und den ganzen Körper mit Angstschweiss bedeckt. Die Blase
war sehr ausgedehnt und erstreckte sich bis hoch über den
Schoossbogen. Da der Puls hart und Pat. sehr oft zu entzünd
lichen Krankheiten geneigt war, liess man 20 Unzen Blut, doch
ohne alle Erleichterung, dann nahm man mehrere Versuche vor,
den Catheter einzubriogen, doch vergebens, da Krampf im Bla
senhalse jedes Eindringen hinderte. Bei den öfteren Versuchen
hatte sich ein halber Tassenkopf Blut aus der Urethra entleert.
Jetzt verlangte Pat. flehentlich, da die Schmerzen unerträglich
wurden und die Angst aufs höchste stieg, die Paracen-
tese der Blase, doch meinte B., dass man zu dieser Ope
ration doch nicht eher greifen könne, als alle angezeigten Mit
tel angewendet worden wären. Man liess daher 01. litjosc. uud
Extr. Beileid, in die Blasengegend und das Perinäum einreiben
und wendete dann Cataplasmen aus Hb. llyosc. Cicut. und Sem.
Lini möglichst warm an ; innerlich aber erhielt Pat. Laudan.
und Pulver aus Calom. Exlr. lujosc., und IpecaC. Da mehrstün
dige Anwendung dieser Mittel erfolglos blieb, Angst und Schmer
zen unglaublich waren, das Gesicht sich verzerrte, kalter
Schweiss das Gesicht bedeckte, die Extremitäten kalt und die
Respiration beengt wurde, entschloss sich B. auf abermaliges
Verlangen des Kranken zur Operation, die er mit einem Troi-
har von Flourent über dem Schoossbogen anstellte. Gleich
darauf gingen zur grössten Erleichterung mehrere Schoppen Urin