I. Pathologie, Therapie und medicinische Klinik. 69
Nacht war ruhiger, Pat. weniger heiss und am andern Tage
bemerkte man einige Spuren von Besinnlichkeit. Die Besse
rung schritt in den nächsten Tagen langsam, doch stätig, vor
wärts, während man den erwähnten Mitteln nur noch einige
kleine Gaben Digitalis hinzufügte und mit jenen selbst allmäh-
lig wieder nachliess. Nach 10 — 12 Tagen sprach und trank
Pat. bereits wieder und war ausser Gefahr und die ganze Cur
war, ausser den äusserlichen Mitteln, mit etwa 30 Gran Calom.
und 2 Gran Digitalis durchgeführt worden. Ein in der Uonva-
lescenz noch einige Male verordnetes leichtes Inf. rad. Voder.
war wohl etwas Unwesentliches. Der Knabe blieb zwar noch
geraume Zeit schwach, blass und sehr verdriesslich, doch war
er ganz genesen und Geist und Sinne hatten nicht gelitten.
Dass dieser Fall sehr interessant und für den oben ausgespro
chenen Satz beweiskräftig ist, leidet wohl keinen Zweifel.
Diagnostische Bedenken über denselben lassen sich wohl nicht
hegen. Selbst wenn das aufgestellte Bild noch die Möglichkeit
zuliesse, dass man es hier blos mit einem typhösen Allgemeiu-
leiden zu tluin gehabt habe, so müsste doch der Erfolg des
einfachen Verfahrens jeden derartigen Zweifel beseitigen. Al
lerdings ist übrigens dieser Fall der eclatanteste von allen vom
Verf. beobachteten Fällen, doch kommen auch einige andere
ihm mehr oder minder nahe. [Med, Zeit. v. Vereine f. Heilk.
in Pr. 1836. Nr. 49.]
32. Gehirntuberkeln; von Pr. Budge in Wetzlar.
Der 9jährige Sohn gesunder Eltern soll ausser einem im 2. Jahre
rasch und gutartig verlaufenen Scharlachexantheme und einer
ungeachtet mancher äusserlichen Mittel vom 6. Jahre bis zum
Tode ganz unverändert gebliebenen Tinea capitis, bis zum 8.
Jahre ganz wohl, munter und mehr als gewöhnlich klug ge
wesen seyn. Im März 1834 fiel den Eltern ungewöhnliche
Schläfrigkeit, vorher nie beobachtetes Sprechen im Schlafe, stil
les llinbrüten und Nachlass der frühem Lebendigkeit auf. Da
zu kamen noch im Verlaufe eines Jahres folgende Erscheinun
gen : zuweilen Zittern der linken Hand, später krampfhaftes
Zucken im linken Beine, mitunter unerträglich heftiges Reissen
und Stechen am linken Arme, dass sehr oft alle Ruhe und al
len Schlaf raubte, von Zeit zu Zeit Kopfschmerz, Abnahme
des Appetits, der Kräfte und des Körpervolumens, endlich seit
Dec. 1834 häufiges, 3—7 Mal täglich erfolgendes galliges Er
brechen. Doch scheint das ganze Leiden so heimtückisch auf
getreten zu seyn, dass ein während eines Jahres den Kranken
behandelnder Arzt das Uebel für Unterleibs- und Brustleiden
wit rheumatischer Complication hielt. Der Verf. sah am 25.
März. 1835 zuerst den bis auf die Knochen abgemagerten Kran
ken im Bette sitzend, den abwärts geneigten Kopf auf den
rechten Arm gestützt, welche Stellung mit Rücken- nie mit Sei-
teulage wechselten. Das greisenähnliche Gesicht war erbleicht,