II. Materia medica und Toxikologie.
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Appetite, ausser Suppe und Mehlspeise, etwas Fleisch mit sau
rer Sauce und Salat genossen und während des Essens wegen
eines moralischen Vergehens verdiente Zurechtweisung erlitten
hatte, nahm er unmittelbar nach Tische ein Fläschchen mit
einer Drachme reines Strychnins mit sich auf sein Zimmer, goss
den grossem Theil davon in ein Glas mit Wasser und trank
dieses aus. Im Fläschchen, das man später fand, blieb nur ein
Scrupel reines Strychnin zurück, so dass er somit, nach Abzug
einiger, an den Wandungen des Glases hängen gebliebener
Ueberreste, gegen 2 Scrupel reines Strychnin genommen hatte.
Bald danach kehrte er aus seinem Zimmer zurück und trank
etwas Wein mit Mineralwasser, wonach er sogleich die ersten
Wirkungen des Gifts empfand. . Während er noch einige Mi
nuten im Zimmer umherlief, bemächtigte sich seiner grosse Angst
Und Unruhe, er bereute das Vorgefallene und verlangte, ob
gleich er sich für unrettbar hielt, ärztliche Hülfe und legte sich
zu Bette. Ungefähr eine Viertelstunde nach Genuss des Giftes
traf B. bei dem Vergifteten ein. Man erzählte dem Verf.
das bisher Erwähnte und theilte ihm mit, dass Pat. bereits
4 Gran Tart. einet, mit Milch erhalten habe, worauf ein ganz
unbedeutendes Erbrechen von einem Munde voll Flüssigkeit ein
getreten sei. Der Unglückliche lag bereits mit etwas nach hin
ten gezogenem Haupte völlig ausgestreckt, steif und unfähig
sich zu bewegen, in Rückenlage auf dem Bette, mit steter Nei
gung nach rechts sich zu wenden und nur noch tähig, die obern
Extremitäten frei zu bewegen. Das Gesicht war blass, ver
stört, die Hauttemperatur normal, der Puls schnell, zusaminen-
gezogen. Er war völlig bei sich und sprach mit unveränderter
und lauter Stimme über seinen Zustand, wobei er Anfangs nur
auf einige Augenblicke durch eine eintretende, doch schnell
Vorübergehende Spannung im Unterkiefer in der Fähigkeit
schnell und leicht zu sprechen, gestört, doch nicht eigentlich
unterbrochen wurde. Auch in dieser Spannung des Unterkie
fers konnte er den Mund bis auf einen gewissen Grad eröffnen
und er verschluckte leicht das ihm gegebene Getränk. Mit
öfterem Eintritte dieses beginnenden Trismus wurde derselbe
nicht nur immer stärker, sondern die krampfhafte Spannung
dehnte sich bald auch auf die Muskeln der Respiration aus.
Hie Brust W’urde gepresst, das Athmen ungleich und aussetzend,
'vorauf eine Anzahl kurzer, schnell auf einander folgender fol
gender Athemzüge mit kleinem unterdrücktem , schnellem Pulse
ei, <traten. Man versuchte in dieser ersten Periode vergebens,
durch stärkere Gaben Tart. einet., so wie durch Ritzeln des
Schlundes mit dem Barte einer Feder Erbrechen zu erregen.
Letzteres rief im Augenblick den Trismus von Neuem hervor
und verhinderte durch unwillkürliches Zusammenbeissen mittelst
der Zähne das tiefere Einführen der Feder. Eben so blieben
die spätem Mittel ohne Erfolg, als welche innerlich Jodtinctur