200 I. Pathologie, Therapie und medicinische Klinik.
folgender: Rückenmark und Ursprünge seiner Nervenbündel lie
gen in einer Knochenhöhle. Mit jedem fortschreitenden Ent-
wickelungsprocesse schwellen die ernährenden Umhüllungen,
Häute und Gefasse etwas an, und zugleich muss sich das Wir*
beigerüste demselben Entwickelungsprocesse fügen. Tritt nun
Missverhältnis zwischen Entwickelung des Nervensystems und
der Knochen ein, so dass die Höhle dem turgescirenden Mark
nicht entspricht, dann entsteht Reiz auf die Nervenursprünge,
der, wie ein fremder Körper, Zuckungen bedingt. Dies Ver-
bältniss kann eben so gut bewirkt werden durch .Anschwellung
der Wirbel, während im Nerven sich nichts verändert, als durch
Turgescenz der Häute und Nervenpartieen selbst, bei unverän
dertem Wirbel; meist aber kommt ersteres vor. Im Schlafe
hören gewöhnlich, obgleich die Reizung fortwährt, die Krämpfe
auf, die abnorme Aclion cessirt wie die normale; manchmal
ist aber der Reiz so stark, dass auch im Schlafe der zuckende
Muskel nicht ruht. Ist nur die eine Hälfte der Nervenpaare
gereizt, so tritt, und dies ist der gewöhnliche Fall, die Chorea
einseitig auf und wenn sich die Reizung nur auf einzelne Nef-
venstämme erstreckt, partiell. Manchmal beginnt die Chorea
partiell und wird allgemein , manchmal ist es umgekehrt. Zu
weilen ändert während jener Entwickelungsperiode der Reiz
den Ort, es zucken einige Zeitlang die obern und dann die
untern Extremitäten, oder umgekehrt; zuweilen wechseln auch
die Zuckungen mit Lähmhngen, die denselben Grund haben
und eben so wenig gefährlich sind. Dieser Wechsel des Orts
ist aber nicht raschfolgendes Springen, w'ie bei hysterischen
Krämpfen, sondern cs sind verschiedene Epochen desselben
Entwickelungprocesses, wovon jeder seine Dauer hat. Höchst
merkwürdig sind die Fälle, wo partielle Chorea einzelne Be
wegungsnerven der Sinnesorgane ergreift. S. sah Kranke, w«
das Uebel nur in beständigen Nictitationen der Augenlider, in
Augenverdrehen, abnormen Bewegungen der Zunge, oder in
fast ununterbrochenem Niesen bestand. Manche, und dies ist
die häufigste Chorea partialis der Art, müssen anhaltend un-
articulirte Töne ausstossen, und rufen vom Erwachen, bis Nacht
und Schlaf alle Nerven zur Ruhe verweisen, in einem fort?
hep, hem, hu, ehr u. s. w r . Da hier nicht alle Bewegungs
nerven der Sprachorgarne leiden, können die Kranken noch
reden, dies geschieht zwar mit Anstrengung und lallend, aber s°
lange hören die unarticulirten Töne auf, um dann gleich hefli'
ger und ununterbrochen fortgesetzt zu w r erden. Drückt iu# 0
fest am Unterkiefer, oder in der Gegend des Atlas, so liöreu
die Töne für den Augenblick aul, doch ist dies Zusammenpres-
sen sehr peinlich. Dies Töneausstossen geht oft Wochenlang»
nur durch den Schlaf unterbrochen, fort; manchmal fglgt eine Zeit
lang völlige Aphonie, manchmal stechender Schmerz auf einer Seite
der Brust, manchmal Asthma, Wobei jedoch tfofes Gähnen, Deüu« u