196 I. Pathologie, Therapie und medicinische Klinik.
(Schluss folgt.) [Casper’s Wochenschr. f. d. gcs. llcilJc, 1837.
Nr. 2.]
80. Heftiger Yerlauf einer Zungenentzündung;
vom Wundärzte Guenther in Kayna. Ein 18jähriges seht
robustes, blühendes, eben menstruircndes Mädchen ging mh
einer Frau in schnellem Schritt von Zeitz nach ihrem 3 Sinn*
den entfernten Dorfe zurück. Beide waren sehr erhitzt, zogen
aber auf dem halben Wege, wo sie noch mehrere mit Frost
und Eis bedeckte Berge zu steigen hatten, ihre Fussbekleidung
aus. Zu Hause gekommen, konnte die Frau kein Wort spre*
chen und hatte 8 Tage mit heftigen Halsschmerzen zu kämpfen»
worauf dieselben bei häufigen Bähungen allmählig sich verloren*
Bedenklicher jedoch gestaltete sich die Sache bei dem Mädchen*
Noch denselben Tag hörte die Periode plötzlich auf und di®
Nacht war etwas unruhig. Am andern Morgen klagte das Mäd'
chen ebenfalls über heftige Halsschmerzen, konnte nur nid
Mühe schlucken und fühlte eine eigenthiimliche, das Sprechen
sehr behindernde Schwere der Zunge. Unter steter Steigerung
der Zufälle währte dies bis zum 6. Tage, an dem die seit eint'
gen Tagen schon mehr und mehr anschwellende Zunge der Kran'
ken kaum noch gestattete, etwas herabznschlürfen. Am 7. Tag®
Morgens wurde G. gerufen und fand die aus der Mundhohl®
heraushängende Zunge so geschwollen, dass sie die ganz®
Mundhöhle ausfiillte und zwischen den wenig geöffneten Kie'
fern eingeklemmt war. Die Zähne hatten schon bedeutende Ein'
drücke in die Zunge hervorgebracht und dadurch die Blutcircu*
lation schon so gehemmt, dass die vor der Mundhöhle befind'
liehe eingeklemmte Spitze derselben ganz blutroth aussah. Zä*
her, dicker Schleim lief uuunterbrochen aus dem Munde heran 8
lind die Submaxillardriisen, so wie überhaupt die ganze Uinge'
bung des Unterkiefers waren so geschwollen, dass man für den
'Augenblick an Angina puroiluleu hätte denken können, wen»
“nicht die Entstehungsweise des Uebels die secundäre Bedeutung
dargethan hätte. Nur mit Mühe und Gewalt konnte der Vei'f*
den Unterkiefer etwas herabdriiekeu, wonach die Zunge »J 8
unförmliche, dunkelroth gefärbte Fleichmasse sich darstellte, dt®
bleischwer dalag, ohne dass sie im Geringsten bewegt werde»
konnte. Zwischen Zunge und hartem Gaumen liess sich kaut»
eilte Federspule stecken und vom weichen Gaumen war g at
nichts zu bemerken. Die Anschwellung auf der rechten Häif* e
ijt'ar'AVösser als auf der linken. Das Athmen war nur unte*
Rösser Anstrengung möglich und nur bei stark nach hinten g e '
rieigtem Kopfe und bei weit geöffneten Nasenlöchern könnt®
etwas Luft geschöpft werden. Der Character des im hoh® D
Crade vorhandenen Fiebers war rein inflammatorisch. Grosse lb i/e
wechselte mit Frostschauern; die Haut war trocken, heiss; d® 1 '
heftige Durst um so qualvoller, als alle Versuche etwas frisch®*
Wasser herabzuschlürfen, unmöglifch waren und Erstickung« 211 '