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V. Staatsnrzneikundc.
jedes Mal blos nach heftigen Gemüthsbewegungen eingetreten;
sie wurden von der Leidenden in der Absicht geheim gehalten,
um sich, als Mitclrträgerin, nicht die Kundschaft zu verderben,
sie sali sich aber vor einiger Zeit genöthigt, als in Gegenviait
einer glaubwürdigen Milchabnehmerin die Vorboten eines iinfalls
eintraten , sich derselben zu entdecken. Am Morgen des
Tags der versuchten Brandstiftung hatte sie ihre. Hegeln be
kommen und war durch Zank lind Streit gemiithlich aulgeregt
worden. Ihre Menstruation gerieth denselben l’ag ins Stocken
und die Leidende in oben geschilderten Gemüthszustand, in
Welchem sie sich unbewusst war. — Nach diesen 1 hatsachen
Und Beweisen erkannte man die Person als eine Kranke, wel
che an einer, das sensorielle Lebeu tief ergreifenden Störung
des Nervensystems leidet, die bei von Aussen noch hinzutreten-
den heftigen Gemüthsaffecten sich bisweilen bis zu wirklicher
Tobsucht und Raserei steigere, bei w elcher, nach H eu k e, nur
blinde Zerstörungswutli sich zeigt, Bewusstsein, sittliches Ge
fühl und jeder Character der Menschheit im Anlalle erlischt und
der Geniiitliskranke zum wilden Thiere wird. Ohne Zweifel
lag dein Betragen der Iiiqüisitin an quästionirtem Abende diese
blinde, thierische, alle Freiheit und Selbstbestimmung aufhe
bende Wutli, die Folge wiederholter epileptischer, oder an Epi
lepsie grenzender Anfalle, zum Grunde; denn wie hatte sie
ohne beschränkte Intelligenz und mit ungetrübtem Bewusstsein
ihrer Sinne ihr Verbrechen gerade vor der That den dadurch
Bedrohten ankündigen können und dasselbe unter ihren Augen
ausführen wollen? Sie wurde daher für ganz iinputationsun-
fäliig erklärt. [Hom’s Archiv. 1836. März. April.]
77. Gutachten über den Gemüthszustand des
■A. B., welcher am 1. Jan. 183* seinem Mitgefange
nen mehrere tödtliche Verletzungen bei brac htc;
von Wagner. Ein Pantoifelinacher, 2!) Jahre alt, der sein
Handwerk nicht ordentlich erlernt, als Soldat gedient, sich in
der Fremde eine Zeitlang herumgetrieben hatte und seinen Un
terhalt nicht zu erwerben wusste, fing ein liederliches und va-
gabondirendes Leben an und kam wegen Obdachlosigkeit in
Arrest. Gleichzeitig hatte er sich dem Trünke ergehen und
w ar dadurch in einen Zustand gerathen. in welchem er Hand
lungen beging, die den Schein eines vorübergehenden Wahn
sinnes erregten. In einem spätem Arreste soll er mit einem jun
gen ^Burschen Päderastie getrieben haben. Der Mitgefangene
K* habe ihn damit geneckt und gesagt: er möge nur auf den
Hof gehen, seine Frau warte auf ihn. Durch diese Aeusserung
Wurde A. B. so aufgebracht, dass er gleich, ein Messer zu sich
steckte, um jenen zu stechen, er möge ihn tödtlich trellen, oder
jucht. Der Gedanke, dass diese That ihm selbst den Tod bringen
könnte, schreckte ihn nicht ab, da er dadurch aus seiner ewi
gen Gefangenschaft beireit würde. Am folgenden Morgen