Full text: (Neueste Folge, Band 4 = 1837, No 1-No 8)

187 
V. Staatsnrzneikundc. 
jedes Mal blos nach heftigen Gemüthsbewegungen eingetreten; 
sie wurden von der Leidenden in der Absicht geheim gehalten, 
um sich, als Mitclrträgerin, nicht die Kundschaft zu verderben, 
sie sali sich aber vor einiger Zeit genöthigt, als in Gegenviait 
einer glaubwürdigen Milchabnehmerin die Vorboten eines iinfalls 
eintraten , sich derselben zu entdecken. Am Morgen des 
Tags der versuchten Brandstiftung hatte sie ihre. Hegeln be 
kommen und war durch Zank lind Streit gemiithlich aulgeregt 
worden. Ihre Menstruation gerieth denselben l’ag ins Stocken 
und die Leidende in oben geschilderten Gemüthszustand, in 
Welchem sie sich unbewusst war. — Nach diesen 1 hatsachen 
Und Beweisen erkannte man die Person als eine Kranke, wel 
che an einer, das sensorielle Lebeu tief ergreifenden Störung 
des Nervensystems leidet, die bei von Aussen noch hinzutreten- 
den heftigen Gemüthsaffecten sich bisweilen bis zu wirklicher 
Tobsucht und Raserei steigere, bei w elcher, nach H eu k e, nur 
blinde Zerstörungswutli sich zeigt, Bewusstsein, sittliches Ge 
fühl und jeder Character der Menschheit im Anlalle erlischt und 
der Geniiitliskranke zum wilden Thiere wird. Ohne Zweifel 
lag dein Betragen der Iiiqüisitin an quästionirtem Abende diese 
blinde, thierische, alle Freiheit und Selbstbestimmung aufhe 
bende Wutli, die Folge wiederholter epileptischer, oder an Epi 
lepsie grenzender Anfalle, zum Grunde; denn wie hatte sie 
ohne beschränkte Intelligenz und mit ungetrübtem Bewusstsein 
ihrer Sinne ihr Verbrechen gerade vor der That den dadurch 
Bedrohten ankündigen können und dasselbe unter ihren Augen 
ausführen wollen? Sie wurde daher für ganz iinputationsun- 
fäliig erklärt. [Hom’s Archiv. 1836. März. April.] 
77. Gutachten über den Gemüthszustand des 
■A. B., welcher am 1. Jan. 183* seinem Mitgefange 
nen mehrere tödtliche Verletzungen bei brac htc; 
von Wagner. Ein Pantoifelinacher, 2!) Jahre alt, der sein 
Handwerk nicht ordentlich erlernt, als Soldat gedient, sich in 
der Fremde eine Zeitlang herumgetrieben hatte und seinen Un 
terhalt nicht zu erwerben wusste, fing ein liederliches und va- 
gabondirendes Leben an und kam wegen Obdachlosigkeit in 
Arrest. Gleichzeitig hatte er sich dem Trünke ergehen und 
w ar dadurch in einen Zustand gerathen. in welchem er Hand 
lungen beging, die den Schein eines vorübergehenden Wahn 
sinnes erregten. In einem spätem Arreste soll er mit einem jun 
gen ^Burschen Päderastie getrieben haben. Der Mitgefangene 
K* habe ihn damit geneckt und gesagt: er möge nur auf den 
Hof gehen, seine Frau warte auf ihn. Durch diese Aeusserung 
Wurde A. B. so aufgebracht, dass er gleich, ein Messer zu sich 
steckte, um jenen zu stechen, er möge ihn tödtlich trellen, oder 
jucht. Der Gedanke, dass diese That ihm selbst den Tod bringen 
könnte, schreckte ihn nicht ab, da er dadurch aus seiner ewi 
gen Gefangenschaft beireit würde. Am folgenden Morgen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.