Full text: (Neueste Folge, Band 4 = 1837, No 1-No 8)

10 I. Pathologie, Therapie und inedicinische Klinik. 
fahrens erinnert hätte. Die robuste Kranke war noch nicht ver 
loren, doch die Kunst ruhte nicht. Da sielt das Uebel auf 
gleicher Stufe erhielt, die Entzündung also noch eben so be 
stand, wie vor dein ersten Aderlässe, die vermeintliche Gefahr 
daher um nichts vermindert war, wurde ein zweiter Aderlass 
von 14 Unzen gemacht. Dieser nun drang bis zuin Quell der 
Lebensbewegungen. Die Erscheinungen veränderten sich. Die 
Schnelligkeit des Pulses nahin ab, das Erysipel verlor seine 
Anschwellung und seitlich blasser werdend nach hinten. Es ent 
standen Abscesse und häutiges schleimigtes Abweiciten, das man 
durch Opium stillte und da sich darauf Neigung zum Erbrechen 
einstellte, durch Abführmittel wieder hervorrief. Nun ruheten 
für einen Tag die Symptome, dann aber brach der Sturm los. 
Hippocratische Brustzufälle verkündeten den Tod. Da suchte 
man die Gefahr durch neue Blutenziehung von 15 Unzen zu 
beschwören und wendete'noch Alles an, >vas man unter ähn 
lichen Erscheinungen thut, doch Pat. starb, zum Theil an Pe- 
ricarditis, von der sich im Leben auch nicht ein Symptom zeigte. 
ZM'eifelsohne rief die zweite Venäsection den Tod herbei. Von 
da verlief das Erysipel regelwidrig und nöthigte zu grober Em 
pirie. Die Erfahrung der ältern Aerzte hätte liier einen belter- 
zigenswertlicn Wink geben können, indem sie zum wenigsten 
grossen Rückhalt in Anwendung der ßlutentziehungen beim 
Erysipel empfiehlt. Doch die durch das anatomische Messer 
festgestellte Idee der Entzündung verschmäht die Erfahrung! — 
Was soll man aber in dieser Mittlieilung m^lir anstaunen : die 
Grundsätze der Behandlung, oder die Beurtheilung des ganzen 
Vorgangs? Im Verlaufe der Krankheit sieht der Arzt 2 Dia- 
lltesen, eine inflammatorische und eine purulente; die Haupt 
symptome gelten als Anstrengungen der Heilkraft der Natur und 
den Tod legt man einer Verirrung dieser Heilkraft zur Last! 
Ko vermag die einzige Berücksichtigung der Materie die Unbe 
fangenheit der Ansicht zu trüben. Man sollte glauben, die 
Kunst Märe liier gar nicht thätig gewesen und doch Mar sie 
es gerade, die die Erscheinungen einer Diailtese und jene fiir 
critisch ausgegebenen Zerstörungen hervorrief. Ohne die Ener 
gie der Kunst M'ürde in diesem gesunden Körper die I'ebris 
eri/sipehttosa geM’iss eben so gefahrlos vorübergegangen seyn, 
als in den oben erzählten gewiss mit bedeutenden Symptomen 
verbundenen Fällen. — Wäre man übrigens auch davon völ 
lig überzeugt, dass dem Erysipel Entzündung zu Grunde läge, 
so hätte man doch daraus für die Behandlung gar nichts ge 
wonnen. Nur der Verlauf dieser Krankheit giebt Aufschluss 
über die Natur derselben. Die Natur eines Vorgangs in der 
Wirklichkeit bestellt aber nur in Auffassung der Ordnung, des 
Zusammenhangs bestimmter Erscheinungen von ihren veranlas 
senden Ursachen an bis zu ihrer Vollendung. So stellt sich die 
Febris erijsipclatosa, ihrer bedenklichen Zufälle ungeachtet, so
	        
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