126 IV. Gynäkologie und Pädiatrik,
grundlose Heftigkeit, unzufriedene, grämliche Gemiilhsart, Un
reinlichkeit, mit Enthaltung von Speisen abwechselnde Gehäs
sigkeit, Verlangen nach ungewöhnlichen Nahrungsmitteln, ver- ;
einigten sich in ihm; alle Züchtigungen, alle Besserungsver
suche blieben vergeblich, der Knabe verschlimmerte sich nur
mit jedem Tage; gegen körperliche Strafen schien er fast un
empfindlich ; nachdem dieser Zustand etwa 4- Jahr gedauert, fing
seine Sehkraft an bedeutend abzunehmen, er schielte und ver
fiel in epileptische Krämpfe, die anfangs mehrere Wochen pau-
sirten, dann immer häufiger, endlicli regelmässig aller 14 Tage
eintraten, und in ihren 2-, 3- bis 4maligen Anfällen volle 24
Stunden einnahmen; der Augapfel wurde immer stierer und
glotzender, die sehr erweiterte Pupille unbeweglich, die Seh
kraft so stumpf, dass Sonne und Sterne nicht mehr von einan
der unterschieden werden konnten. Seinem täglich zunehmen
den albernen, ungereimten Wesen folgte Stumpfheit aller Sin
nesorgane und Schwäche aller Seelenvermögen bis zum Blöd
sinn. Gleichzeitig veränderte sich die Form des Schädels, er
vergrösserte sich besonders in die Breite und die Schläfegegenden
ragten convex hervor; die häufig wiederkehrenden und sichtlich
erschöpfenden epileptischen Krämpfe lähmten allmälig die Extre
mitäten so vollkommen, dass er überall hingetragen werden
musste; er wurde bald ganz taub, seine Sprache unartikulirt
und unverständlich und später trat Schwierigkeit beim Schlucken
ein, so dass er die ihm dargereichten Speisen wegen schmerz
hafter Verengerung der Schlingorgane bald nicht mehr herunter
bringen konnte; das letzte Jahr verliess er das Bett nur, damit
man es reinigen nnd ordnen konnte; er magerte zum Skelette
ab, klagte selbst überausgebreiteten Decubitus nicht, wimmerte
und stöhnte aber ohne Selbstbewusstsein in unartikulirten Tönen
seine Jammertage an immer zunehmender Entkräftung zu Ende.
— Er hatte die, seinem Alter angemessene Grösse, und mit
Ausnahme des Schädels war das ganze Skelett normal gebildet.
— Ein auf diesen verstorbenen Knaben folgendes, noch leben
des Mädchen, das seinem Umfange w ie seiner Grösse nach 16
Jahre alt zu seyn schien, wirklich aber erst 12 Jahre zählte,
wurde nun dem Verf. gezeigt. Das unstäte verflogene Auge
irrte, wie bei Blindgebornen, unablässig umher, ohne einen
Gegenstand zu lixiren oder genau zu erkennen; die Mienen hat
ten etwas Albernes, Wahnwitziges, der bis tief auf die Stirn
herab mit borstigen Haaren dicht besetzte Kopf war unförmlich
gross, besonders sehr breit; die ossu temporum ragten auffal-»
lend stark und convex hervor; die sehr fleischigen derben Extremi
täten waren normal gebildet; der Bauch ragte etwas hervor, der
Wuchs war gerade; das Mädchen plapperte ohne Veranlassung
unaufhörlich und unverständlich, beantwortete die ihm vorge
legten Fragen nicht immer richtig, wusste kaum seinen Namen
und kannte sein Geburtsjahr nicht; die Töne hatten etwas Wi-