510 IV. Gynäkologie und Pädiatrik.
zur 4. Periode verlaufen sei. Bei so kräftigen Wehen stand
zu fürchten, dass der Kopf noch näher gegen die Scheidewand
vorgetrieben werde, diese, so dick sie auch war, bersten und
weiter, als zu wünschen sei, einreissen könne. Man musste
also auf künstliche Trennung möglichst Bedacht nehmen. Da
JL jedoch für diesen Fall ganz unvorbereitet war, da ihm der
Bote nichts Specielles hatte sagen können, so konnte erst nach
einigen Stunden zur Trennnng durch den Landgerichts-Wund
arzt Nolte geschritten werden. Während dieser Zeit hatten
die kräftigen Wehen nachgelassen, aber auch nicht das Minde
ste Verändert. An der Scheidewand konnte das Gefühl'auch
nicht die geringste Oeffnung entdecken. Nachdem man jedoch
möglichst dem Auge selbst Zugang verschall hatte, nahm man
eine Oeffnung von so geringem Durchmesser wahr, dass sie
kaum eine Hohlsonde ohne Gewalt aufnahm. Dieser enge Ka
nal schien sich in Krümmungen durch die Scheidewand hindurch
zu winden, da ihn die Sonde nur auf mehrere Linien verfolgen
konnte. Man schlitzte nun, der Schamspalte entsprechend, die
Scheidewand von unten nach oben auf und gewann so einen 3
Finger breiten Baum. Ehe man weiter trennte, war es nöthig,
zuzusehen, was die Wehen und somit das weitere Vordringen
des Kopfs auf die Erweiterung der Theile bew irkten. Da aber
die Wehen weit seltener kamen und bei Weitem nicht so w irk
sam waren, wie früher, legte H. die Zange an. Er musste
auch jeden Zeitverlust meiden, da, w'enn dieser Zustand län
ger angehalten, schmerzhafte Anschwellung der getrennten Theile
zu befürchten stand. Die Wehen kamen nicht wirksamer und
es machte sich von Seiten der Zange die kräftigste Unterstü
tzung nöthig. H. musste wohl 60 Tractionen machen, um den
Kopf zu entwickeln, obgleich er nun beim Eintritt der Wehen
die Zange gebrauchte. Von Anlegung der Zange bis zur Ge
burt des Kindes vergingen l.f Stunde. Bei Entwickelung des
Kopfs war die grösste Vorsicht nöthig, da bei der Enge der
Geburtstheile leicht ein weiterer Einriss Vorkommen konnte.
Doch erweiterten sich bei 3 Finger breiter Oeffnung die Theile
nach und nach so, dass der Kopf durchging und nachdem die
ser geboren war, folgte der übrige Körper ohne Verzug nach.
Das Kind lebte 'und war massig gross. Die Nachgeburt folgte
nach einer kleinen Annöthigung bald nach. Die Wöchnerin be
fand sich ganz wohl. Als sie der Vtrf. den andern Tag wie
der sah, nahm er keine Geschwulst der Genitalien wahr, auch
fand sich weder in den Geburlstheilen noch im Unterleibe der
geringste Schmerz. Die Milchsecrelion trat gehörig ein und bei
einem spätem Besuche, am 8. Tage, fand H. Mutter und Kind
so wohl, dass man auch nicht das leiseste Uebelbelinden be
merkte. Auch waren die getrennten Theile so gut geheilt, dass
später die Frau ohne irgend ein Hinderniss niedergekommen ist.
Die Verwachsung hatte von Jugend auf bestanden und war an
geboren. Die Frau w ar 10 Jahr verheirathet gew esen und, nur