446 Y. Gynäkologie und Piidiatrik.
den wahren Zeitpunct der Lebensfähigkeit eines vor
zeitig geborenen Kindes findet eine allgemeine Ueberein-
stimmung unter den gerichtlichen Aerzten noch immer nicht
statt, sowohl die, welche das Ende des 7. Monats nach der
Befruchtung als den Termin der eintretenden Lebenfähigkeit an-
nehmen, als die, welche für die Lebensfähigkeit der Früchte
von einem früheren Alter stimmen, haben für ihre Meinung
Gründe aufgestellt, die Henke (in s. Lehrb. d. ger. Med. und
in 8. Abhandl. a. d. Geb. d. ger. Med. Bd. III.) einer aus
führlichen Prüfung unterworfen und sich mit Fleischmann
(der die entscheidendsten Beobachtungen in dieser Beziehung ge
macht hat, die auch von Henke a. a. O. mitgetheilt sind)
der bereits von Haller, Metzger, Grüner und Kopp auf
gestellten Behauptung angeschlossen: dass eine jede vor Ab
lauf des 7. Monats nach der Empfängniss geborene
Frucht, wenn sie auch lebend zur Welt kommt und
mehrere Stunden und Tage fortlebt, für nicht lebens
fähig erklärt werden müsse. — Neuere von Fl. in dieser
Beziehung gemachte Beobachtungen bestätigen jenen Lehrsatz
als richtig, denn sie erwiesen: 1) dass geborene Früchte von
einem früheren als 7monatlichen Alter, auch wenn sie mehrere
Tage leben, dennoch, auch bei der sorgfältigsten Pflege, aus
Unvollkommenheit der intensiven Ausbildung nicht zum Fortle
ben geschickt sind, wenn gleich die extensive Ausbildung der
Organe mit der der Reife entsprechenden ziemlich überein, oder
ihr wenigstens nahe kommt; 2) dass selbst die wenigsten von
den Kindern, welche das Ende des 7. Monats erreicht haben,
zum Fortleben geschickt sind. — I. Eine grosse, starke, leb
hafte 34jährige Frau, welphe schon 10 Kinder geboren, wovon
5 Frühgeburten und theils bald wieder verstorbene reife Kinder,
1 Knabe aber und 4 Mädchen, sämmtlich gesund und kräftig
noch am Leben waren, litt seit 6 Jahren öfters au heftiger
Metrorrhagie und hysterischen Zufällen mit unbeschreiblicher,
zuweilen in wahre Verzweiflung übergehenden Beängstigungen,
jedoch immer nur während des Tages; ihr Schlaf war ruhig
und ununterbrochen; anhaltend gebrauchte krampfstillende Mit
tel und Stahlbäder beschwichtigten diesen Zustand und sie hatte
sich bereits ein ganzes Jahr lang wohl befunden, als sie 1817
schwanger wurde und in der 10. Woche nach einer heftigen,
mit Schmerzen verbundenen Metrorrhagie abortirte; kaum 2 Mo
nate später wurde sie abermals schwanger und befand sich bis
zur 23. Woche ganz wohl; nach vorausgegangenem Uebelbe-
finden erschien endlich in der 25. W'oche unter den gewöhnli
chen Symptomen eine starke Metrorrhagie, die indess durch ein
passendes Verfahren wieder gehemmt wurde, die Fruchtbewe
gungen spürte sie nach wie vor deutlich; in der 26. Woche
endlich gebar sie Nachts 11 Uhr sehr leicht ein Mädchen, wo-