440 V. Gynäkologie und Pädiatrik.
der Zange war späterhin leicht und J. entwickelte das Kind
mittelst einiger Tractionen sehr leicht. Das Kind war völlig
ausgetragen und trotz lange fortgesetzter Rettungsversuche nicht
ins Leben zu bringen. Das Aussehen beider Leichname wiess
deutlich auf die Todesursache, auf Blutmangel. Die nach der
Entbindung vorgenommene Untersuchung ergab Folgendes: an
Unter-und Oberschenkeln, Genitalien und Unterbauchgegend
fanden sich noch Spuren von Blutaderknoten; beide grosse
Schamlippen hingen schlaff herunter und an der linken war
eine Zoll lange Wunde da, wo die äussere Haut in die innere
s. g. Schleimhaut ühergeht. Der zwischen die Wundlippen
eingebrachte Finger fand in dem ungeheuer erweiterten Blutge
fäss nur noch einiges ßlutgerinsel. Die in den Uterus einge
führte Hand fand die Wände derselben schlaff in die Höhle
hineinhängend, und die Nachgeburt seitwärts im Grunde noch ganz
mit dein Uterus verbunden. Zusammenziehungskraft fand sich
im Mindesten nicht mehr vor. Wie Hebamme und Verwandte
angaben, soll die Geburts - Arbeit zwischen 3 und 4 Stunden
gewährt haben, bis das Fruchtwasser abgegangen war, wa dann
während einer Wehe ein Geräusch wie beim Wassersprung
vernommen Morden und augenblicklich ein sehr heftiger Blut
fluss erfolgt sey. Dieser Blutfluss soll ununterbrochen bis znm
Eintritt des Todes, etwa eine halbe Stunde angehalten haben
und gegen die Blutung nur Tücher an die Geschlechtstheile ge
drückt worden seyn. Die Frau war 34 Jalne alt, von mittle
rer Constitution und sah in gesunden Tagen blass und scliMam-
migt aus. Sie hatte 4 Kinder geboren und gestillt. Ihre Haupt
beschäftigung M'aren Feldarbeiten genesen. [Med. Corresp.
Blatt d. wiirtemb. ärztl. Vereins. Bd. VI. J\r. 22.]
211. Polygalia , Galactorrhoea; vom Hofrath Dr.
Hauck in Berlin. Die Polygalia kommt selten vor. Unter
mehrern tausend Wöchnerinnen und Stillenden, die H. in 30
Jahren beobachtete, sind ihm nur einige bedeutende Fälle der
Art in Erinnerung geblieben. Dies bestätigt den Ausspruch eines
beschäftigten Arztes, dein in 50 Jahren nur der Meiter unten
näher zu beschreibende Fall vorkam. Die Ausleerung der Milch
aus den Brüsten M’ird, M’ie bekannt, in der Regel durch den
Reiz des Saugens veranlasst und wenn dieser unterbleibt, M'ird
dann die Reizbarkeit in den Milchdrüsen herabgestimmt und die
Milch in den Milchgängen zersetzt und eingesogen. Dabei giebt
es Anlagen zu überaus starken Milchabsonderungen, deren
Grund vielleicht in eigenthiimlicher Organisation der Brüste
liegen mag. So sucht der Bauer die Kälber stark milchender
Kühe auf, weil er glaubt, dass sie die Eigenschaft der Müt
ter haben M’erden. Polygalia und sigalactia sind nur Phäno
mene, die Nosologie prägt ihnen erst den Character auf. Letz
tere steht der erstem nur dann gegenüber, Menn nicht Locali-
tät8fehler in den Brüsten, als: Kleinheit, Dürftigkeit in der