Full text: (Neueste Folge, Band 2 = 1836, No 9-No 16)

III. Matena medica und Toxikologie. 423 
203. Weitere Beobachtungen über endermische An 
wendung und Wirkung des essigsauren Strych 
nins bei Paraplegie; vom Med. Prakt. Oesterlen in Mun 
delsheim. (S. Summar. Bd. VIII. Hft. 1. Nr. 15.) Jm April 
v. J. wurde O. zu einem schon 4 Jahre der Gemeinde anheim 
gefallenen, im traurigsten Zustande sich befindenden jungen 
Manne geführt, um sich darüber auszusprechen, ob diesem Un 
glücklichen nicht wenigstens in so weit Hülfe geschafft werden 
könnte, dass er theilweise sein Fortkommen fände, was denn 
auch der Verfasser, freilich nicht mit Gewissheit, doch Wahr 
scheinlichkeit bejahte. Er fand diesen Menschen am 12. April 
wie folgt: derselbe war 28 Jahre alt., sah blühend und wohl 
genährt aus, hatte einen starken Körperbau und sollte nach 
Aussage seiner ihn verpflegenden Schwester früher nie kränk 
lich gewesen seyn. Jetzs lag er vollkommen unfähig, auch 
nur die geringste Bewegung mit Händen oder Füssen machen 
zu können und unfähig, den Kopf aufrecht zu erhalten, mit 
für jeden Fremden völlig unverständlicher Sprache, mehr thie- 
rische Töne ausstossend, gegen jede Bewegung und sogar ge 
gen angebrachten stärkern Druck unempfindlich, Urin und Se- 
des jedoch haltend, schon seit 4 Jahren im Armenhause. Die 
Schwester erzählte, dass er früher Tagelöhner und zuletzt 1834 
als Bauernknecht in Diensten gewesen sey. In diesem Dienste 
habe er über Schwindel geklagt, auch einige Zeit einen Arzt 
gebraucht, da er aber den Schwindel nicht ganz verloren, sich 
allein zu Fusse nach Hause begeben. Eine halbe Stunde vor 
dem Marktflecken sey er, längere Zeit wie berauscht, taumelnd, 
auf dem Felde niedergestürzt, doch habe er sich wieder allein 
aufgerafft und sey noch vollends nach Hause gekommen. Haus 
mittel, namentlich kalte Umschläge auf den Kopf, hatten ihn 
hier einige Erleichterung gebracht, worauf er wieder, doch 
nur 3 Wochen, in den früheren Dienst getreten sey. Da ihn 
abermals der Schwindel heftig befallen habe, so sey er nun 
auf einem Wagen hieher geliefert und ungefähr 14 Tage mit 
ableitenden und abführenden Mitteln, einem künstlichen Aus 
schlage, Aufgüssen der Digital, purp, und zuletzt mit Wa 
schungen aus einem Dec. lib. cicut. behandelt worden, doch 
ohne günstigen Erfolg. Die Cur des Verf. begann am #2. Apr. 
mit einem Abführmittel und, gestützt auf weitere glückliche 
Erfahrung von der Wirkung des essigsauren Strychnins, w endete 
O. dasselbe nicht nur innerlich, sondern auch endermatisch an 
und zwar streute er auf eine mittelst eines Vesicators wundge 
machte Stelle, zuerst an der innern Fläche der Schenkel, dann 
an den Oberarmen, 4 Gr. mit G. arab. auf und zwar den 
ersten Tag auf den rechten Schenkel, den zweiten auf den 
linken, den dritten auf den rechten Oberarm, den 4ten auf den 
linken und verband jedesmal mit Ung. digest. Pat. war ganz 
unempfindlich gegen den Heiz der Blasenpflaster und das Auf-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.