36 I. Pathologie, Therapie imd medicinische Klinik.
der Harn frei abfloss, die zweite etwas weiter oben links,
durch die die Ruthe herausdrang, während die von infiltrirtem
Harn strotzende Haut derselben die Ruthenform behaltend, von
der Ruthe isolirt und rechts divergirend stehen blieb und 1 Z.
9 Linien über dieselbe vorragte, so dass man beim ersten An
blick 2 Ruthen zu selten glaubte. Nun erst wurde mit dem
Dorfbarbier ein benachbarter Chirurg befragt. Beide überzeug
ten sich vom Brande, erkannten aber die Ursache desselben,
den noch immer in seiner Höhle liegenden Harnstein nicht und
begnügten sich mit einer Digestivsalbe. Als der Barbier am
29. Mai den Verband abnahm, fiel ihm der Harnstein aus sei
ner Höhle fast in die Hand. Auf die Nachricht davon besuchte
der Verf. mit 0. A. Wundarzt Sehrägle den Kranken, den
sie bei hectischem Aussehen und Fieber äusserst abgemagert
und vor Entkräftung fast sprachlos fanden. Ein aashafter Ge
ruch verbreitete sich von seinem Lager aus durch das kleine,
mehr einem Stalle als einer menschlichen Wohnung ähnliche
Gemach. Stinkende Brandjauche mit Urin sickerte durch die
brandige Geschwürhöhle der Prostatagegend, wo der Stein ge
legen und aus deren Grunde die Spitze der Prostata mit ihren
Lappen, welche die nicht mehr vorhandene, durch Brand zer
störte Harnröhrenportion früher umgeben hatte, hervorragte.
Durch diese Höhle floss der wegen Lähmung des Sphincter vc-
sicae willkührlich nicht mehr zurückzuhaltende Urin ab. Die
Spitze einer Sonde, die man durch die Eichelöfihung einbrachte,
zeigte sich in dieser Höhle, die eine 4 Linien breite Hautbrii-
cke von dem obern Brandgeschwür der Ruthenhaut, durch wel
ches die Ruthe vorgedrungen war, hinter deren Eichel sich die
Ruthenhaut als wulstiger Brandschorf aufgeworfen hatte, trennte.
Besonders auffallend war die oben erwähnte, die Ruthe nicht
mehr einhüllende, isolirt in der Ruthenform beharrende, durch
Harninfiltration der Ruthe im Erectionszustande ähnliche, Ru
thenhaut. Bei passenden Mitteln und Verhalten wurden die
Brandstellen bald rein. Nach Vernarbung derselben blieb, w as
als Folge der partiellen Lage des Steins im Blasenhalse und
der Zerstörung einer beträchtlichen Harnröhrenportion nicht an
ders seyn konnte, Lähmung des Blasenhalses und eine ziemlich
grosse Harnröhrenfistel zurück; sonst aber erholte sich Pat. wie
der so, dass er schon lange wieder seiner Arbeit nachgehen
konnte. Die Ruthe liess sich mit der Ruthenhaut nur theilweise
wieder in Adhäsion bringen. Den Harnstein hat S., zur Be
leuchtung seiner Lage in den betreffenden Harnw r egen und zur
Bezeichnung einzelner Theile desselben, auch w egen seiner ent
sprechenden Form in Scheitel, Kopf, Hals, Rumpf und Fuss
eingetheilt. Er ist 3l Z. 3 L. rheinisch lang, im stärksten
Durchmesser des Kopfs 1 Z. 1 L., des Halses -$ Z. und des
Rumpfes 1 Z. dick und wiegt 2 Loth Quentchen, Der Schei
tel hat eine teUerartige rauhe, poröse Vertiefung. Rumpf und