II. Pathologie, Therapie und medicinische Klinik. 271
befinden zeitig geübten Aerzten eröffnen, und zugleich das
Haupterforderniss bei Behandlung dieser Uebel, d. i. lange fort
gesetzte Passivität erfüllen können. Da aber ein sehr grosser
Theil der Leiden des Herzens und der angrenzenden grossen
arteriellen Gefässe beim gemeinen Manne und auf Veranlassung
grosser mechanischer Gewalt entsteht, und überdies erst nach
Weit vorgeschrittener Metamorphose ein Arzt hinzugerufen wird,
auch selbst Vornehmere dem unerlässlicher Heilerfordernisse der
Passivität gar nicht, oder nur unvollkommen entsprechen kön
nen, so wird die Zahl geheilter Leiden der Art immer gering
bleiben. — Eine 40jährige Dame, blond, klein, zartgebaut,
Mutter vieler Kinder, die sie fast alle selbst genährt hatte, war
bisher selten krank gewesen und nur heftige Kopfschmerzen
zur Zeit der Periode bildeten schon seit langer, langer Zeit
ihre Beschwerde. Nachdem sie jedoch vor 4 Jahren ein Kind
an Hirnleiden verloren und vor 3 Jahren ein anderes an den
selben Zufällen dem Tode nahe kam und nur langsam wieder
genas, während die Mutter es säugte und mit grösster Anstren
gung pflegte, fing ihre Gesundheit zu wanken an, indem sie
nicht mehr das frühere KräftemaaSs besass und indem bei ge
ringen Anregungen heftiges Strömen des Blutes entstand, das
sich durch Kopfschmerzen und Zittern des ganzen Körpers ver-
rieth. Als nun im Sommer 1834, während sie auf dem Lande
lebte, der Blitz in ihr Zimmer eingeschlagen, eine Person ge-
tödtet, mehrere beschädigt und Mutter und Kinder heftig er
schüttert hatte, bekam Pat. heftigen Kopfschmerz und starkes
Zittern. Ein Arzt, der Schlagfluss fürchtete, verordnete Ader
lass und dann Bibergeil mit Hirschhorn: Alles wohl sehr zur
Unzeit. Ganz erschöpft und mit entstellten Zügen langte Pat.
im Sept. 1834 in Petersburg an. Schneller, dünner, schwacher
Puls, weit bis in die linke Brusthälfte und bis in die Herzgrube
verbreitetes, dem Pulse entsprechendes Herzklopfen, starkes
Schlagen der Carotiden, etw as verminderter Abgang des Harns,
der bald blass, bald dunkel war, häufige Nachtschweisse, ge
ringe Stuhlausleerung, die jedoch dem sehr geringen Maasse
der Nahrung entsprach, grosse Magerkeit und wenig erhöhte
Pemperatur waren die bedeutendsten objectiven Zeichen; Kla
gen über Kopfschmerz aber, Ohrensausen, Flimmern vor den
Augen, Zittern, Kraftlosigkeit, Mangel an Esslust, grosse
Schreckhaftigkeit, unruhiger Schlaf die wesentlichsten subjecti-
ven Zeichen, an deren Wahrheit man bei der Wahrhaftigkeit
der Kranken und ihrem Wunsche nach Herstellung nicht zwei
feln konnte. Diese Erscheinungen dauerten bis gegen den März
und Verschlimmerung trat nur bei der Periode und bei etwai
gen Gemütsbewegungen ein. Ueberdies stellte sich ein Mal
heftiges Erbrechen ein und zwar in Folge einer etwas zu star
ken Gabe Digitalis. Später zeigte sich ein Mal entzündliche
Heizung in der Leber, die einigen Blutegeln wich. Eine kurze