2 I. Pathologie, Therapie und medicinische Klinik.
sich nicht, der Durst ist oft enorm, oft massig. Im Anfänge
der Krankheit kanu Pat. noch passend antworten, später ver
mengt er Alles mit den Bildern seiner aufgeregten, verwirrten
Phantasie, oft auf so komische Weise, dass selbst der Ernst
hafteste lächeln muss. Diese Symptome befallen den Kranken
nicht auf einmal und plötzlich, sondern es gehen ihnen Vorbo
ten voraus, die jedoch der Arzt seltener beobachtet, theils weil
Pat. sie selbst zu verbergen sucht, theils aber und vornehm
lich, weil sie mehr auf psychischer Verstimmung beruhen, ge
gen die man meist erst dann Hülfe sucht, wenn sich auch
Zeichen eines körperlichen Uebelbefindens einstellen. Diese
Vorboten nun sind nach der geistigen und körperlichen Indi-
\idualität sehr verschieden. Der Eine wird fast bis zur Ausge
lassenheit heiter, ein Anderer ist in sich gekehrt und nieder
geschlagen und nur das haben Alle mit einander gemein, dass
sich in ihrem ganzen Wesen etwas Fremdartiges, was ihrem
sonstigen Charakter nicht angemessen ist, zeigt. Phlegmati
sche bieten in ihrem geistigen Zustande oft nur wenige Verän
derungen dar. Nach und nach steigern sich diese Vorboten
bis zu den Symptomen des ausgebildeten Delirium tremens, das,
wie es überhaupt den Uebergang zu bilden scheint von den
Krankheiten des Leibes zu denen der Seele, nun auch Analo-
gieen mit den verschiedenen Formen der Seelenstörungen zeigt.
Diese Formen sind: Manie und Melancholie, selten Narrheit,
die sich dann gewöhnlich durch eine gewisse Schalkhaftigkeit
ausspricht. Das Zittern der Hände theilt sich nach und nach
dem ganzen Körper mit, das Sensorium wird mehr nnd mehr
umwölkt und beständige Unruhe, ewige Jactationen und Hallu-
cinationen treten ein. Gewöhnlich kommen diese Erscheinun
gen gleichzeitig mit einander vor, in einem Falle aber, den
Steudel beobachtete, wechselten beide pathognomische Zei
chen mit einander ab, so dass Pat. bei Tage zitterte, bei Nacht
ddirirte. Der Schlaf verschwindet; Pat. will immer aus dem
Bette springen, um seine Geschälte, deren ihm die erregte
Phantasie zu Hunderten vorhält, zu besorgen ; mit den Händen
ahmt er oft die während seiner gesunden Tage gewöhnlichsten
Manipulationen nach und zugleich ängstigen ihn die verschieden
artigsten Bilder. Dazwischen hinein scheinen dunkle Reininis-
cenzen von dem, was er in gesunden Tagen getrieben, die
Phantasie zu beherrschen und ihnen ein eigenthiimliches Ge
präge aufzudrücken. Der Puls ist auf der Höhe der Krankheit
wandelbar, bald voll, gross, so dass man einen Aderlas für
angezeigt halten könnte, bald klein, zusaminengezogen, leer,
fadenförmig. In diesem Stadium, das S. Stadium erethicum
nennen möchte, stellen sich oft starke Congestionen gegen das
Hirn ein, die sich nicht selten wie apoplectische Anfälle ge
stalten und seltener allgemeine, fast immer aber örtliche Blut
entziehungen fordern. Dieser bedauernswürdige Zustand hält