V. Staatsarzncikunde.
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Liebe nicht viel zu leisten. — Beklagter dagegen ist ein jun
ger, feuriger, kräftiger und gesunder Mensch mit gut ausge
bildeten Hoden: und solche Männer pflegen ein starkes Begat-
tungsvermögen zu haben, -welches, häuiig geübt und durch leb
hafte Phantasie und physische Genüsse genälirt, leicht übermäs
sig wird. Uebermässig kann nur der Geschlechtstrieb genannt
werden, welchen die Frau nicht ohne anhaltende Schmerzen
oder nicht ohne Schaden an ihrer Gesuudheit ertragen kann.
Durch den Beischlaf werden vorzüglich die Nerven in Anspruch
genommen, und der geschlechtlich Aufgeregte muss ein ange
nehmes Entzücken empfinden. Allein auch nach dem Beischlafe
dürfen entweder gar keine, oder es müssen angenehme Empfin
dungen Zurückbleiben. Wo dies nicht der Fall ist, liegt etwas
Widernatürliches zum Grunde, und wo gar statt der angeneh
men Empfindungen Schmerzen Zurückbleiben, da ist der Bei
schlaf für den leidenden Theil verderblich. Klägerin klagt über
Rücken - und Leibschmerzen, die sie nach jedesmaliger eheli
cher Umarmung empfunden. Ihre Genitalien sind normal gebil
det, gesund und denen ihres Gatten analog: von da aus können
die Schmerzen nicht gehen, wie Klägerin auch selbst zugiebt.
Allein bei schwachnervigen Personen, zu denen Klägerin ge
hört , wird durch häufigen Beischlaf die Sensibilität krankhaft
erhöht, wodurch leicht Lokalschmerzen entstehen können und
jedes Mal anhaltende Nervenschwäche begründet wird. Die
Mattigkeit der Klägerin könnte man auch auf Rechnung der
bald nach der Brautnachtsfeier erfolgten Schwangerschaft setzen;
jedoch Hesse sich dagegen mit Fug und Recht erwidern, dass,
da sich alle krankhaften Erscheinungen, bis auf den Husten
mit Brustschmerz, und bis auf die Abmagerung, der fortschrei
tenden Schwangerschaft ungeachtet, verloren haben, seitdem
sich Klägerin des Beischlafes enthalten, diese Mattigkeit, wel
che nach jedesmaligem Geschlechtsgenusse fühlbarer wurde,
nebst den andern krankhaften Erscheinungen einen andern Grund
haben müsse. Da sich nun in den Lebensverhältnissen der Klä
gerin weder etwas Moralisches noch Physisches findet, wodurch
die Gesundheit derselben soweit herunter gebracht werden konnte,
so nahmen wir den übermässig gepflogenen Beischlaf um so
mehr als den Grund davon an, da er nach allgemeiner Erfah
rung solche Folgen haben kann, und resultirten daraus: 1) dass
Klägerin, vermöge ihrer schw ächlichen Körperbeschaffenheit und
ihrer negativen Gesundheit, dem Gatten den häufigen Beischlaf
nicht mehr gewähren kann, ohne sich vollends zu Grunde zu
richten. Allein da Klägerin vor ihrer Verheirathung stets frisch,
inunter, gesund und wohl imStande war, durch Handarbeit und
körperliche Anstrengungen der menschlichen Gesellschaft nütz
lich zu werden und sich ihren Unterhalt zu erwerben; da sie
e rst in der Ehe und namentlich durch zu häufige Begattung so
elend wurde; da sie erst 24 Jahre zählt und dies gestörte Wohl