Full text: (Neueste Folge, Band 3 = 1836, No 17-No 24)

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IV. Gynäkologie und Pädiatrik, 
IV, Gynaekoiogie und Paediatrik. 
21. Vortheilhafte Einwirkung der Zange auf 
Krampf- und schmerzhafte Wehen bei einer in mo 
mentanen Wahnsinn verfallenen Kreisenden; vom 
Berg- und Salinenmedicus Dr. Hemmer in Schmalkalden. Den 
2. März 1832 Abends 8 Uhr wurde H. zu einer im Gebären 
begriffenen Frau gerufen. Die Geburt batte schon vor 24 Stun 
den angefangen und seit länger als 12 Stunden waren bereits 
die Wasser abgegangen. Der Verf. fand die 44jährige Frau, 
die bereits 7 Kinder geboren hatte und die einen sehr grossen 
Kropf trug, sonst aber von robuster Constitution war, in völ 
lig wahnsinnigem Zustande. Sie hatte schon längst ärztliche 
Hülfe gewünscht, die Hebamme aber hatte ihr dieselbe ver 
weigert, weil sie gemeint, dass die Natur die Geburt zu Ende 
bringen werde. Die Kreisende schrie in einem fort: gebt mir 
einen Schlaftrunk, oder schmeisst mich todt. H. redete ihr freund 
lich zu, doch ihr Stöhnen u. Brüllen und das fortdauernde Hin- und 
Henverfen der Arme Hessen nicht die oberflächlichste Untersuchung 
zu. Sie beantw ortete keine Frage, sondern schrie fortwährend die er 
wähnten Worte und zeigte im Bette durch Hin - und Herw er 
fen die grösste Unruhe. Endlich sprang sie aus demselben, 
warf sich gewaltsam auf die Knie und, mit den Armen um sich 
schlagend, wiederholte sie den vorigen Refrain. H. brachte 
die Frau unter dem nöthigen Beistände in den Geburtsstuhl. 
Der Puls war klein, die Temperatur nicht erhöht. Die inner 
liche Untersuchung ergab einen Scheidenvorfall. Der Mutter 
mund war 4 Finger breit geöffnet, ganz schlaff und lag an dem 
normal stehenden Kopfe an. Aber nicht nur der Muttermund, 
sondern eine grosse Partie des untern Segments des Uterus war 
ringsum ohne alle Contraction und so schlaff und bei Berührung 
so schlotternd, als wäre der Theil abgestorben, todt. Wehen 
fanden sich gar nicht vor, wenigstens nicht im ganzen Umfange 
des Uterus, sondern nur im Grunde desselben, dem Sitze der 
ungeheueren Schmerzen. Die Wehen hatten demnach eine ver 
kehrte Richtung. H. gab der Frau eine Gabe Tinct. Castor, 
und Valer. aeth. mit Tinct. theb. und legte sofort die Zange 
an. Mit Anlegung des einen Blatts trat schon normale Action 
des Uterus ein und jede Klage verstummte. Unter Mitwirkung 
andauernder Wehen waren jedoch zur Entwicklung des Kopfs 
noch viele und kräftige Tractionen erforderlich. ~ Die Frau, die 
bei der Operation sich ganz ruhig verhalten und der auch bei 
kräftigem Wehendrange nicht eine Klage entschlüpft w ar, freute 
sich sehr über die Beendigung der Geburt, klagte aber sehr 
über die Hebamme, die ihr ärztlichen Beistand versagt, und 
sie der Verzweiflung Preis gegeben hatte. Die Nachge 
burt erfolgte ohne Umstände. Das Kind, ein Knabe, lebte 
und war gesund. Als H. 2 Tage darauf die Wöchnerin sah,
	        
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