52 III. Chirurgie und Ophthalmologie.
sah ihn W. zum ersten Male. In beiden Augen bemerkte er
Cataracta capsulo - lenticularis. Sie war weich und im rech
ten Auge ausgebildeter, als im linken. Die Iris reagirte na
türlich und sonst war durchaus kein Augenleiden wahrzuneh-
men, auch war die Sehkraft schmerzlos verloren gegangen. Das
Sehvermögen war darauf beschränkt, dass Pat. Tag und Nacht
und nur undeutlich die rohsten Conturen grosser Gegenstände in
ziemlicher Nähe unterschied. Wie erwähnt stellten sich biswei
len in verschiedenen Theiien noch flüchtige Gichtschmerzen ein
und diess war wohl ein sehr triftiger Grund, die Operation vor
der Hand ganz abzuschlagen oder wenigstens, falls Pat. darauf
bestände, nicht eher vorzunehmen, bis durch geeignete Vorkur
die gichtische Materie sicher vom Kopfe abgeleitet worden sey.
W. empfahl dem Krankeu, da er alles Vertrauen für Mittel
verloren hatte und auch Derivantia scheute, auch ferner mässig
und vorsichtig zu leben, doch eine kräftigere Diät zu führen
und Fleisch, täglich eine kleine Portion Bier und bisweilen ein
kleines Glas milden blanken Weins zu gemessen. Im Januar
3835 sah $r ihn wieder und war über die aulfallende Verän
derung des Augenübels nicht wenig erstaunt. In beiden Augen
war die Cataracta von der Peripherie nach dem Centrum zu
so zurückgetreten und aufgesaugt, dass nur noch das Ceiitrum
im Umfange eines kleinen Stecknadelkopfs verdunkelt war und
das Uebel jetzt der cataracta centralis glich. Der ganze übrigeUm-
fang der Linse und Kapsel war rein und hell. Im linken Auge war in
gleich er Art die Aufsaugung vor sich gegangen, nur noch mit geringe
rer Extension, so dass vom ebenfalls noch verdunkelten Centrum,
auch ein dunkler unregelmässiger Streifen nach der Peripherie
hin verlief. Das Sehvermögen hatte sich sehr verbessert. Mit
dem rechten Auge konnte Pat. deutlich grossgedruckte Buch
staben, helleuchtende Farben, Personen etc. klar und sicher
unterscheiden, natürlich nur bei ziemlicher Annäherung der
Sehobjecte, doch ohne Brille. Die Sehkraft des andern Auges,
konnte freilich wegen der hier noch nicht so weit vorge
schrittenen Resorption der Cataracta noch nicht so weit gedie
hen seyn. W. möchte diesen Fall für gichtische Cataracta nicht
halten, da die Verdunklung der Linse ohne jene reissenden
Schmerzen eintsat, die gichtischen Krankheitsprocessen eigen
sind und die man besonders hei allen gichtischen Augenübeln
beobachtet. Pat. hatte nie Schmerzen., weder im Augapfel, noch
in der knöchernen Hülle des Auges. Nicht unwahrscheinlich
ist es, dass die zu lange fortgesetzte strenge Diät und der zu
schnelle, auffallende Uebergang von Reizung zu Schwächung
jene Verdunklung der Linse veranlassten. Uebrigens fand hier
wirklich resorptio spontanea cataractae statt: es wurde näm
lich weder ein chirurgisches, noch, therapeutisches Mittel zur
Beförderung der Resorption aDgewendet, ausser einer Diät,
die dem sehr geschwächten Gefäss- und Nervensysteme neue