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IV. Gynäkologie und Pädiatrik.
tung, bedeutende Verstimmung des Gemüths, namentlich sehr
gesteigerte Aengstlichkeit, öfterer Drang zum Uriniren und Ab
gang vielen wasserhellen Harns waren die wichtigsten beglei
tenden Zeichen dieser Eciampsie. Uebrigens war die Lage des
Kindes regelmässig, der Stand des Uterus normal und nur der
Muttermund, der sich sehr glatt und gespannt anfiihlte, äusserst
empfindlich. Betrachtete man, ohne dass man die ganze Sym-
ptomengruppe und die individuellen Verhältnisse berücksichtigte,
diesen heftigen Anfall von Eciampsie, so hätte man leicht hier
die Prognose schlecht stellen können, doch dachte man reiflicher
über alle Momente nach, so musste man weniger ängstlich seyn.
Schwächliche Constitution und grosse Reizbarkeit der Gebären
den , frühere häufige Anfälle von hysterischen Krämpfen, selbst
in den heftigsten Formen, gänzliches Aussetzen der Convulsio-
nen ausserhalb der Wehen und Zurückkehren des völligen Be
wusstseins, andere rein krampfhafte Erscheinungen und somit
Mangel aller Zeichen, die auf schweres Ergriflensein des Hirns
und Rückenmarks schliessen Jiessen, bestimmten den Verf., diese
Eciampsie für eine rein hysterische zu halten, die durch schmerz
halte Ausdehnung des bei Erstgebärenden gewöhnlich sehr ge
spannten und empfindlichen Muttermundes bedingt wurde. Da
nach richtete er denn auch sein Verfahren ein. Pat. erhielt
innerlich Castoreum und Opium in wechselnden Gaben, ausser
dem Klystiere aus Inf Valer. mit yJsa foetida, Einspritzungen
von Dec. Allh. mit Opium in die Scheide, von Zeit zu Zeit
warme Handbäder und Wärmflaschen an die Füsse. Nächst—
dem mied man jede unnöthige Untersuchung und sorgte für be
queme Lage der Gebärenden. Doch hielten, dieser consequent
fortgesetzten Behandlung ungeachtet, die Convulsionen fast gleich
heftig bis gegen Morgen um 4 Uhr an, nachdem sie Abends
nach 10 Uhr angefangen hatten und erst als der Muttermund
ganz erweitert war, schwanden sie bis auf jede Spur. Unter
selten wiederkehrenden, schwachen, doch regelmässigen Wehen
rückte nun zwar der Kopf langsam vorwärts, musste aber spä
ter, weil die Wehenkralt abnahm, mit der Zange entwickelt
W'erden. Starker Blutverlust nach der Entbindung trug nebst
diesem Geburtsverlaufe dazu bei, dass die Wöchnerin lange
sehr schwach war und eine spätere Phlegmasia alba dolens,
so wie Entzündung und Vereiterung der Brust veranlassten lan
ges Kranksein und sehr langsame Convalescenz. — Bei der
zweiten Entbiudung nahm man auch nicht eine Spur von Con-
vulsionen wahr, doch fehlte wohl auch hier der vorzüglichste
erregende Moment: die Erweiterung des empfindlichen Mutter
mundes einer Erstgebärenden. — 2) Die 20jährige Tochter
eines Kaufmanns, eine zarte Blondine, von schlankem Wüchse
und blühendem Aussehen war, so viel B. erfuhr, vor ihrer
Schwangerschaft gerade nicht sehr zu Krämpfen geneigt und
befand sich in der ersten Hälfte der Schwangerschaft immer