I. Pathologie, Therapie und medizinische Klinik. 465
neben der Warze der linken Brust ein oberflächliches Geschwür
von der Grösse eines sächsischen Guldenstiickes, welches guten
Eiter absonderte und nicht von verdächtigem Ansehen war.
Dieses Geschwür trug sich auf den Säugling, und 2war gerade
auf die Stelle seines rechten Backens über, welche beim Säu
gen das Brustgeschwür der Amme berührte und berühren musste;
Dieses geschah, ungeachtet die Amme beim Säugen das Ge
schwür stets mit einem leinenen Läppchen bedeckte; aber das
Geschwür am Backen des Kindes gewann ein anderes Ansehen,
als'das des Brustgeschwürs der Amme war: es bildete sich ein
schmutziger Schorf, unter dem ein wenig Jauche hervortrat, das
Geschwür heilte nicht, erreichte die Grösse eines Sechsers und
schien ziemlich tief zu seyn. Der bisher kräftige Knabe bekam
eine grünlich-blasse Gesichtsfarbe, nahm nicht zu, ungeachtet
er viel schlief, und verfiel sichtbarlich, bei dem Genüsse der
Nahrung, welche die Amme in genüglicher Menge lieferte.
Diese Umstände, wie auch die vorliegende Thatsache, dass das
Localleiden an der Brust der gut constituirten und scheinbar
gesunden Säugamme so lange bestanden und, statt zu heilen,
an Umfang zugenommen hatte, erregten schon Verdacht, und
die an den Brüsten und an der Brust sichtbaren Flecke von
kupferbrauner Farbe zeugten von syphilitischer Dyscrasie. Die
Eltern des angesteckten Kindes entfernten im Zorne die ver
dächtige Amme früher, als sie zum Gestandniss gebracht w erden
konnte; wir aber, ein beratender Chirurg uud ich, behandel
ten und heilten den Säugling mit kleinen Gaben Kalomeis. —
II. Zur Prophylaxis. Die Wuth, welche die Syphilis bei
ihrem ersten Auftreten zeigte, kennen wir nicht mehr. Van
Swieteu sagt, dass die besten Aerzte jener Zeiten, von übel
abgelaufenen Curversuchen ermüdet, alle Hoffnung aufgaben,
diese Krankheit zu heilen, und aniingen, ihre Patienten dem
traurigsten Schicksale und den Empirikern zu überlassen, und
Hu me schlug den Verlust, welchen Europa durch die Syphilis
an Menschen erlitten, nicht geringer als den an, welchen Krieg,
Hunger und Pest zugleich nach sich gezogen. Diese Wuth,
Wiederhole ich, kennen wir nicht mehr an der venerischen
Krankheit und selbst wenn sie als Volksseuche (wie grässlich
die Krankheit dann ist, ersieht man aus zwei Abhandlungen,
die Venusseuche als Volkskrankheit betreffend, im
2. Supplementbande zu P. Frank’s Syst, einer med. Polizei,
Lpz. 1825. S. 201—302.) auftritt, giebt sie nur eiu schwaches
Bild von selbiger, Die Milde, welche der Krankheit jetzt ge
wöhnlich nicht fehlt, verdanken wir dein Umstande, das sie
sich in fast 3! Jahrhundert, seitdem sie bei uns heimisch ist,
acclimatisirt und ihren exotischen Character abgelegt hat; wir
verdanken sie der nach und nach gefundenen bessern Behand
lungsweise, und verdanken sie endlich der Staatssorge, welche
durch mancherlei Vorkehrungen den epidemischen Ausbruch
Summarinm d. Medicin. 1836. III. 30