Full text: (Neueste Folge, Band 3 = 1836, No 17-No 24)

I. Pathologie, Therapie und medizinische Klinik. 465 
neben der Warze der linken Brust ein oberflächliches Geschwür 
von der Grösse eines sächsischen Guldenstiickes, welches guten 
Eiter absonderte und nicht von verdächtigem Ansehen war. 
Dieses Geschwür trug sich auf den Säugling, und 2war gerade 
auf die Stelle seines rechten Backens über, welche beim Säu 
gen das Brustgeschwür der Amme berührte und berühren musste; 
Dieses geschah, ungeachtet die Amme beim Säugen das Ge 
schwür stets mit einem leinenen Läppchen bedeckte; aber das 
Geschwür am Backen des Kindes gewann ein anderes Ansehen, 
als'das des Brustgeschwürs der Amme war: es bildete sich ein 
schmutziger Schorf, unter dem ein wenig Jauche hervortrat, das 
Geschwür heilte nicht, erreichte die Grösse eines Sechsers und 
schien ziemlich tief zu seyn. Der bisher kräftige Knabe bekam 
eine grünlich-blasse Gesichtsfarbe, nahm nicht zu, ungeachtet 
er viel schlief, und verfiel sichtbarlich, bei dem Genüsse der 
Nahrung, welche die Amme in genüglicher Menge lieferte. 
Diese Umstände, wie auch die vorliegende Thatsache, dass das 
Localleiden an der Brust der gut constituirten und scheinbar 
gesunden Säugamme so lange bestanden und, statt zu heilen, 
an Umfang zugenommen hatte, erregten schon Verdacht, und 
die an den Brüsten und an der Brust sichtbaren Flecke von 
kupferbrauner Farbe zeugten von syphilitischer Dyscrasie. Die 
Eltern des angesteckten Kindes entfernten im Zorne die ver 
dächtige Amme früher, als sie zum Gestandniss gebracht w erden 
konnte; wir aber, ein beratender Chirurg uud ich, behandel 
ten und heilten den Säugling mit kleinen Gaben Kalomeis. — 
II. Zur Prophylaxis. Die Wuth, welche die Syphilis bei 
ihrem ersten Auftreten zeigte, kennen wir nicht mehr. Van 
Swieteu sagt, dass die besten Aerzte jener Zeiten, von übel 
abgelaufenen Curversuchen ermüdet, alle Hoffnung aufgaben, 
diese Krankheit zu heilen, und aniingen, ihre Patienten dem 
traurigsten Schicksale und den Empirikern zu überlassen, und 
Hu me schlug den Verlust, welchen Europa durch die Syphilis 
an Menschen erlitten, nicht geringer als den an, welchen Krieg, 
Hunger und Pest zugleich nach sich gezogen. Diese Wuth, 
Wiederhole ich, kennen wir nicht mehr an der venerischen 
Krankheit und selbst wenn sie als Volksseuche (wie grässlich 
die Krankheit dann ist, ersieht man aus zwei Abhandlungen, 
die Venusseuche als Volkskrankheit betreffend, im 
2. Supplementbande zu P. Frank’s Syst, einer med. Polizei, 
Lpz. 1825. S. 201—302.) auftritt, giebt sie nur eiu schwaches 
Bild von selbiger, Die Milde, welche der Krankheit jetzt ge 
wöhnlich nicht fehlt, verdanken wir dein Umstande, das sie 
sich in fast 3! Jahrhundert, seitdem sie bei uns heimisch ist, 
acclimatisirt und ihren exotischen Character abgelegt hat; wir 
verdanken sie der nach und nach gefundenen bessern Behand 
lungsweise, und verdanken sie endlich der Staatssorge, welche 
durch mancherlei Vorkehrungen den epidemischen Ausbruch 
Summarinm d. Medicin. 1836. III. 30
	        
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