V. Staatsarzneikunde.
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Schaft sehr matt und deshalb öfters zur Arbeit unfähig gefühlt
haben, obwohl sie weder irgend Schmerzen empfand, noch über
einen bestimmten Krankheitszustand klagte. In der Kartoffel
ernte stürzte sie von einem Pferde herab zur Erde, wobei sie
ebenfalls einen heftigen Stoss auf den Unterleib und Schmerzen
in demselben erlitten haben will, die jedoch schon am andern
Tage ganz verschwunden waren. Ihre Schwangerschaft ver
heimlichte sie so wenig, dass sogar ihre Dienstherrschaft sich
erbot, sie während ihrer Niederkunft und des Wochenbettes im
Hause, obwohl nicht im Dienste zu behalten; anfangs Januar
erwartete sie ihre Entbindung. Am 7. Dec. hatte sie noch
schwere Arbeit verrichtet und war sogar Abends spät noch mit
Andern im Dorfe umhergegangen, in der folgenden Nacht stell
ten sich Wehen ein. Morgens 4 Uhr will sie wiederholt um
Hülfe gerufen haben, aber nicht vernommen worden seyn; sie
hörte die Tagelöhner auf der Scheuer dreschen und konnte so
gar die ausgedroschenen Lagen zählen; erst Morgens 6 Uhr kam
auf ihr wiederholtes Kufen ihr Dienstherr herbei, sie hatte be
reits geboren; eine von ihr zum Beistände herbeigerufene Nach
barin fand das Kind zwischen den Beinen der Mutter, von
Geblüt und Wasser umgeben, jedoch mit Nase und Mund frei
liegend, anscheinend ohne alle Spur von Leben, mit offenem
Munde; sie durchschnitt die sehr kurze Nabelschnur etwa 6
Zoll vom Leibe des Kindes, aus welcher jedoch kein Blut
mehr geflossen seyn soll, und legte das Kind in eine Schürze
geschlagen neben der Mutter hin. Mittlerweile war auch die
Hebamme herbeigekommen und da es nun Tag geworden, be
merkten beide Frauen beim Reinigen des Kindes an der rech
ten Kinnlade einen bräunlichrothen Fleck und einen weit gros
sem dunkleren hinter dem rechten Ohre; der Kopf fühlte sich un
gewöhnlich weich an, seine Knochen liessen sich verschieben
und einzelne schienen sogar in die Höhe zu stehen; das Kind
Wurde nun in einen Koffer gelegt, verschlossen und der Schlüs
sel dem Dienstherrn übergeben. Die Wöchnerin ist hierauf
umgekleidet, in eine Unterstube zu Bett gebracht und die Nach
geburt, die sich am folgenden Tage bei der Untersuchung noch
ganz frisch, wohlerhalten und normal beschaffen und an ihr
noch ein 11 Zoll langes Stück Nabelschnur zeigte, in einem
länglichen, hölzernen leeren Milchbecken, welches die Wöchne
rin angeblich in der Nacht, um es als Nachtgeschirr zu brau
sten, aus der Küche geholt und das sich noch an ihrem Bette
befand, aufbewahrt worden; in der geräumigen, mit Betten und
Stroh gehörig versehenen Bettstelle in der Kammer, worin die
Geburt erfolgt war, hat sich weiter kein harter Körper vorge
funden. Bei der am 9. Dec. auf gerichtliche Requisition unter-
uommenen Obduction der von der Mutter gehörig recognoscirten
Leiche des ueugebornen todten Mädchens fand man alle Zeichen
der Reife und Lebensfähigkeit; da sich die weichen Kopfbe-