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II. Matena medica und Toxikologie.
Extremitäten liatten einige Contractionen, neben periodisch sich
zeigender oscillirender Bewegung der Muskeln, besonders der
Füsse, und in den Fingern ein beständiges Gekrabbel, wahr
scheinlich Mirmecismus, Statt, Respiration, Herzschlag und Puls
waren normal, beim Uriniren fand sich einige Tage Brennen
und die Verdauungskraft war noch uugeschwäclit. R. beschloss
I nun die bisher äusseiiich erfolglos angewandte Strychnine inner
lich und zwar täglich zuerst 3, dann 4 Mal zu •§■ Gran mit
Zucker abgerieben zu geben und iu der Gegend des 4. Lenden-
' wirbels eine Höllensteinfontanelle nach Hauff’s Angabe ein-
richteu zu lassen. Schon nach 8 Gaben oder I Gran, die l'at.
innerhalb 3 Tagen nahm und während der beginnenden Eite
rung des Fontanells traten heftige, über den ganzen Körper
verbreitete Schweisse ein und die Haut erschien nach diesen
über den ganzen Körper gleichmässig roth, wie ein gesottener
Krebs, welches nicht erhabene Exanthem sich nach 6 Tagen
allmählig wieder unter unbedeutenden Spuren von Abschuppung
verlor. Nach 8tägigem Gebrauche der Strychnine — es wur
den dieselben Pulver noch einmal wiederholt, also 2 Gran in
8 Tagen gegeben — und während der starken Eiterung der Fon
tanelle konnte Pat. wieder einige Finger der rechten Hand be
wegen. Mitte Mai konnte er mit dieser Hand den Löffel hal
ten und zum Munde führen. Allmählig erhielten auch der linke
Arm und dann die untere Extremität ihre Bewegungsfähigkeit
zurück; gleichzeitig stellte sielt auch das Sprachvermögen wie
der her, die Pupille wurde empfindlicher, zog sich auf Reize
zusammen, die Sehkraft stärker (das Zwitzern in den Augen
verlor sich nach Aufhören des Gebrauchs von Strychnin) und
( Ende Mai’s konnte der Knabe wieder so weit gehen, dass er
nach einigen Wochen die Schule wieder besuchte. Die Fonta
nelle, die 4 Wochen anhaltend geeitert hatte, schloss sich auf
Anwendung von Digestivmitteln. Ein Rückfall trat nicht ein
und heute noch befindet der Knabe sich wohl. — Unstreitig
gehört der eben mitgetheilte Fall hinsichtlich seiner Form, wie
auch des günstigen Ausgangs und der dabei benutzten Mittel za
den interessanteren. Aber, werden Viele fragen, warum 2 so
ausgezeichnet wirkende Mittel zugleich anwenden und sich da
durch die Gewissheit für die Heilkraft des einen oder andern
rauben? Der Verf. findet diese Frage ganz in der Ordnung,
glaubt aber darin einige Entschuldigung zu finden, dass es über
haupt schwer ist, sich bei dem in dieser Beziehung noch so
indolenten Landmann Eingang für einen länger dauernden Heil
plan zu verschallen und deshalb glaubte K., um seinen Zweck
desto schneller und sicherer zu erreichen, beide Verfahren mit
einander verbinden zu müssen. Dass aber hier der innere Gebrauch
des Strychnins entschieden zur Hebung des Uebels beitrug, zeigt
der bald darauf eingetretene profuse Schweiss und das über die
ganze Oberfläche verbreitete Exanthem, das auch Kreuser