328 I. Pathologie, Therapie und medicinische Klinik.
ver, Unruhe, Hin - und Herwerfen, trockene Lippen, dicker
Harn. Dass hier ein höchst nervöser Zustand (eine Fe-
bris neuropa/kica törpida) Statt finde, erklärte ich sogleich, ob
gleich der Hausarzt noch immer mehr das Gefässsystem und
Ulut in Verdacht hatte. Wir w urden beide über den Gebrauch
von Reizmitteln einig, jedoch mit der Abweichung, dass ich
meinen Plan, zu dem gewählten infuso valcrianae statt elixir
acidum Halleri, wie mein immer noch zu sehr Orgasmus san
guinis fürchtender College wollte, Liquor avimonii succinici zu
mischen, durchsetzte, auch dahin wirkte, dass noch zwei Senf
teige (an jedes Schienbein) gelegt w urden. Dies Alles geschah
Nachmittags zwischen 4 und 5 lihr. Gegen 2| Uhr des fol
genden Morgens wurden ich und mein College plötzlich ge
weckt, mit dem Bemerken, dass neue bedenkliche Zufälle ein
getreten wären. Wir eilten sogleich ins Krankenzimmer und fan
den die Kranke schnarchend, w ie bei einem apoplectischen Anfalle,
den mein College auch vermuthete. Ich fragte die Umgebung je
doch, ob Frau Pat. sogleich zu schnarchen angefangen habe, oder
vielleicht Zuckungen vorhergegangen seien, und erhielt zur Ant
wort, dass dies letztere in hohem Grade der Fall gewesen sei, w o
rauf ich denn erklärtet, dass dieses Schnarchen kein tödtliches,
von Schlagfiuss zeugendes Symptom, sondern etwas Gewöhnliches
nach vorhergegangenen Krämpfen dieser Art sei, die mein Col
lege nicht als Epilepsie bezeichnet wissen wollte, ich aber, da
Patientin die Daumen einschlug und nach den Krämpfen, wie
das fast immer im stadio soporoso der Epilepsie der Fall ist,
schnarchte, wie ich glaube, mit Recht so benannte. (Die Be
wusstlosigkeit, die sonst zum Wesen der Epilepsie gehört,
konnte hier nicht als Criterium aufgestellt werden, da sie
schon vor den Zuckungen bestanden hatte.) Ich tröstete die
Angehörigen dahin, dass dieser Zufall zwar von höchstem Er-
grilfenseyn des Gehirns zeuge, es aber nichts Seltenes sei, dass
sich im Nervenfieber Krämpfe aller Art — vom Sehnenhiipfeu
und Zucken einzelner Muskeln, bis zur Hydrophobie und Siarr-
sucht — symptomatisch zeigten, ohne dass deshalb, trotz ailer
Lebensgefahr, augenblicklicher Tod zu prognosticiren sei. Wir
verordneten Moschus, alle zwei Stunden zu gr ij., alternirend mit
infusum valerianae et arnicae, dem wir noch liquor ammonii
succinici zusetzten, und legten noch zwei Senfteige unter die
Fusssohlen. Die epileptischen Insulte wurden allmählig schwä
cher, kamen immer seltener, und nachdem ich mit endlich iort-
gelassenen kalten Kopfumschlägen, die vielleicht die durch den
Moschus und das Ammonium möglicher Weise zu erzeugenden
Schweisse hätten unterdrücken können, noch zwei Sinapismen
auf die Vorderarme, ein Vesicatoriuin auf eine abgeschorene
Kopfstelle und auf den rechten Oberarm applicirt hatte, waren
am Montage Vormittags (am Sonnabende wurde ich geholt)
alle epileptischen Zufälle nicht blos ausgeblieben, sondern es