Full text: (Neueste Folge, Band 3 = 1836, No 17-No 24)

I. Pathologie, Therapie und medicinische Klinik. 27 
\yoriiber wir uns an a. O. ausführlicher aussprechen werden, so 
ist anderer Seits eben so gewiss, dass die Entscheidung, ob 
eben ein Geschwür syphilitisch sei, oder nicht, in vielen Fäl 
len sehr schwierig ist, insofern es noch immer an einem patho- 
gnomonischen Kennzeichen ermangelt, insofern die, als cha- 
racteristisch angegebenen, Merkmale häufig fehlen, dagegen bei 
selbst nicht venerischen Geschwüren bisweilen angetroJfen wer 
den. Wir haben daher seit einiger Zeit, wenn wir irgend 
zweifelhaft waren, die Inoculation vorgenommen, die wir, mit 
telst einiger leisen Messerzüge an den Schenkeln, und in einem 
Falle an dem Arme, anstellten, und uns dadurch, bei mehrern 
scheinbar einfachen Gesclnvürchen, von ihrem syphilitischen 
Character, wie aus dem Erfolge der Inoculation hervorging, 
überzeugt, so wie sich in dem entgegengesetzten Falle unser 
Schluss aus der erfolglosen Impfung mit dem Eiter der fragli 
chen Geschwüre rechtfertigte. Diese summarische Mittheilung 
möge hier für jetzt genügen, sie geschah nur desshalb, um die 
Aerzte in ähnlichen Fällen zu veranlassen, ein ähnliches Ver 
fahren einzuschlagen. Bisher haben wir nicht selten Kranke in 
die Behandlung bekommen, welche aussagten, schon früher an 
dem Chanker gelitten zu haben, aber versicherten, von ihren 
damaligen Aerzten , welcher Tausendkünstler Namen wir 
zwar nicht angeben wollen, uns jedoch wohl gemerkt haben, 
binnen einer Woche, ja 6 und sogar 5 Tagen, völlig geheilt 
W'orden zu seyn, und dies zwar, ohne dass sie durch eine bloss 
äussere Behandlung getäuscht worden wären, und später einen 
Rückfall bekommen hätten. Nein, die Heilung ihrer angebli 
chen Chanker geschah, meist ohne Beobachtung einer strengen 
Diät, durch innerliche Gaben verschiedener Quecksilberpräparate^ 
oder des Aurum natro-muriaticum etc. Solche überaus eclatante 
Heilerfolge, hoffen wir, würde eine vorgenommene Inoculation in 
das gehörige Licht gestellt haben. Bei solchen, die mit Judd 
(a treatise on urethritis and syphilis etc. London 1836) schon 
hinter einer oberflächlichen Rothe des Penis, einer carmosinen 
Excoriation, einem Blüthchen, Bläschen etc., eine primäre sy 
philitische Affection wittern, würden uns so schnelle Heilungen 
nicht Wunder nehmen, indem solche Vorgänge an und für sich 
— grössten TheiLs ohne syphilitische Bedeutung sind, und, als 
einfache Erscheinungen, ihre schnelle Heilung, auch ohne jedes 
Zuthun der Kunst, nichts Auffallendes haben. In diesen Fäl 
len wird meist auch der Kranke der gestellten Diagnose miss 
trauen, was sich dagegen in den früher angedeuteten, wo es 
sich um wirkliche Geschwüre handelte, gewöhnlich anders ver 
halten wird, obschon sie, nach unserer festesten Ueberzeugung, 
keine höhere Bedeutung hatten. Die Nachtheile dergleichen 
Grosssprecherei treffen aber den Anfänger in der Kunst, wel 
cher durch derartige Mittheilungen eine falsche Ansicht von der 
Natur und besonders der Heilbarkeit eines wirklich syphiliti-
	        
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