260 I. Pathologie, Therapie und medicinische Klinik.
unter strenge Aufsicht gesetzt und bekam statt der gewöhnten
Spirituosa Tinct. Calam. comp, mit Aq. Menth, pip. in stets
verringerter Dosis, so dass er auch sie endlich ganz entbehren
konnte. Als Getränk bekam er in den ersten Wochen Was
ser mit einem Zusatze von MLvtr. sulph. acid., dann Wasser
allein und erst später mitunter ein Glas Weissbier. Zu seiner
W iederherstellung wirkten laue Bäder mit kalten Uebergiessun-
gen sehr wohlthätig. — Ein lCjähriger Jüngling war an Dia
betes mellitus lange behandelt worden und hatte sich bei ani
malischer Diät und bei dem Gebrauche des Täq. fumans Boy-
lii, von zeitweise wiederholten Brechmitteln, Schwefelbädern
u. s. w. in soweit gebessert, dass er an Fleisch gewonnen,
mehr Farbe bekommen und dass die Analyse des Harnes ein
günstiges Resultat gab, als er zu seinen Eltern ging und bei
der, hier gewiss schädlichen, homöopathischen Diätbeschrän-
kung nach 6 Monaten an der Schwindsucht starb. — Eine
sehr starke Frau von 59 Jahren, die schon lange leberkrank
gewesen, starb an einer sehr acuten 5tägigen Krankheit, deren
wichtigste Symptome Erbrechen alles Genossenen, Obstruction,
Durst, Angst, Unruhe, Schlaflosigkeit, rother Harn, voller,
aufgelriebeuer Unterleib und inflammatorische Cruste des venä-
secirten Blutes Maren. Die kräftigsten Heilmittel: Aderlass, 70
—80 Blutegel auf den Unterleib, Kalomel, Ol. Ricini, Infus.
Senn, comp., Klystiere aller Art, Bäder, Umschläge, Einrei
bungen, selbst von Ol. Croton., Tr. Colocyhth., vermogte den
Tod nicht abzuwenden: der Leib M’urde immer voller und stär
ker, die Klystiere gingen, ohne was mit zu nehmen, wieder
ab; etwa 12 Stunden vor dem Tode war der Puls nicht mehr
zu fühlen und doch wurden die Häude erst 6 — 8 Stunden vor
dem Tode kalt. — Ein Knabe von 12 Jahren verfiel nach
schneller Beseitigung eines Hustens in eine binnen 14 Tagen
tödtfiche Krampfkrankheit, deren Ursache unbekannt blieb. Das
Uebel begann damit, dass der Knabe beim Schreiben die Feder
wiederholentlich fallen liess, mannigfache unwillkührliche Be
wegungen mit dem rechten Arni und demnächst mit dem rech
ten Fusse machte und in den nächsten Tagen an einen Veits
tänzer erinnerte. Im Bette auf dem Rücken liegend, zuckte
Pat. mit allen Muskeln, schlug mit den Händen um sich, ver
drehte die Augen, verzog den Mund, zerbiss die Zunge; Brust,
Bauchmuskeln und Zwerchfell waren in steter Convulsion so
dass Pat., obschon bei Besinnung, kaum ein Wort sprechen
konnte. Dieser Zustand hielt 8—10 Tage ohne Unterbrechung
Tag und Nacht, ohne Erholung, ohne Schlaf und hinreichende
Nahrung (wegen beschwerlichen Sehlingens) an. Pat. war end
lich zerschlagen und zersehunden, bis auf das Skelett abgeraa-
gert und erlag mit Ausdrucke des höchsten Leidens. Die ver
abreichten Heilmittel waren Anthelinintica und Antispasmodica,
Brech- und Abführmittel, Blutegel, kalte Uebergiessungen iui