258 I. Pathologie, Therapie und mediciuische Klinik.
den. Ein 9jähriger Knabe z. B., der einen kurzen Anflug von
Scharlach gehabt und sich anscheinend schnell erholt hatte, ver-
liess schon nach 8 Tagen das Bett und bekam Hautwassersucht.
Nach 14- Tagen zeigte sich ein lebhaftes Synochallieber mit pneu
monischen Zufällen und verminderter Harnabsonderung, so dass
mau mit Grund au acute Brustwasserslicht dachte. Durch Blutegel
und antiphlogistische innerliche Mittel wurde die entzündliche
Richtung bald gehemmt, aber die Geschwulst stand und der
Harn stockte noch 14 Tage lang. — Im März nahm die In
fluenza noch zu und war bisweilen äusserst hartnäckig. Ausser
den bisher genannten Krankheiten, sah man auch Wechsel-
und Nervenfieber. Die llevaccination haftete unvollkommen oder
gar nicht: in den meisten Fällen entstanden falsche Pocken.
Ein bemerkenswerther Fall ist eine Zona der linken obern
Extremität. Nesselsucht und frieseiartige Ausschläge mit
josenartiger Basis, so wie Gesichts- und Fussrosen, waren öf
tere Erscheinungen und schienen meistens catarrhalischen Ur
sprungs. Fälle von Rheumatismus calidus waren nicht selten und
ein Mal äusserst heftig, indem er Schulter, Brust, Knie und
Fiisse nach einander ergriff. Der Kranke klagte jämmerlich
über Schmerzen, hatte lebhaftes Fieber, rothen Harn und viele
Sehweisse, die nichts nutzten. Ein junger Arzt hatte 4 Mal
zur Ader gelassen und das Blut stets eine 4-—1 •Zoll dicke
Crusta. Brechmittel, Abführungen und Mercur brachten die
Genesung zu Stande. Yerf. bemerkt hierbei, dass Pat. auch
ohne Blutlassen genesen seyn würde, dass man sich nach der
Erscheinung der Crusta pleuritica nicht richten könne und
dass der rheumatismus musculorum pectoris hier wie Pneumoni
tis aussah, ohne wirkliche Lungenentzündung zu seyn.— Ein
5jähriger Knabe zog sich durch Erkältung ein stark entzündli
ches Fieber mit einer Richtung zur Encephalitis zu. Ein ge
reichtes Brechmittel bewirkte bloss Abführen. Unruhe, Angst
und Hitze nahmen am folgenden Tage zu, das Gesicht wurde
roth, der Kopf heiss, der Knabe delirirte und es entwickelte
sich eine bedenkliche Hirnaflection. Sechs Blutegel, an den
Kopf gesetzt, kalte Kopfumschläge, Kalomel und kühlendes
Verhalten beseitigten die Gefahr. — Einige Fälle von heftigem
Ohrenzwang, mit halbseitigen Kopfschmerzen in hohem Grade,
waren catarrhalischen Ursprungs. Auf Geisteskranke hatte der
epidemische Catarrh keinen Einfluss. — Eine Frau von 34 Jah
ren, deren Gesundheit und häusliche Verhältnisse gleich gut
>varen, wurde durch deprimirende Affecte gemüthlich hart mit
genommen. Dazu kam noch später ihre Entbindung, nach wel
cher sie sich nicht gut hielt. Alles dieses griff ihr Nervensy
stem sehr an und einige Tage nach einem ungewöhnlichen Be
nehmen und grosser Zerstreutheit, verfiel sie in eine mehrstün
dige Tobsucht. Am nächsten Tage folgte ein neuer Anfall,
zwar von kürzerer Dauer, aber ohne dass nach dessen Nachlasse