212 I. Pathologie, Therapie und medicinische Klinik.
bei dem Gebrauche der Tisane und bei der Diät verharrt wurde-
Das Geschwür ward nun sichtbar kleiner, bekam einen reinen
Grund und war den 12. Tag nach dem innerlichen Gebrauch«
des Quecksilbers verschwunden, ohne eine Narbe hinterlassen
zu haben. — Dies geschah im Jahre 1816 und Pat. ist seit- ,
dem ohne Affection geblieben, welche von nicht gründlicher
Heilung der Syphilis oder von irgend einem Nachtheile der Mer-
curialbehandlung zeugen könnte. — 2) Ein Jüngling von 17
Jahren bekömmt an dem linken Backen, in der Nähe des
Mundwinkels ein Geschwür, welches, als ich es sah, schon
mehrere Wochen bestanden, den Umfang eines Groschenstückes,
einen unreinen, speckigen Grund hatte, nicht eiterte, auch kei
nen Schorf ansetzte und im Umfange nicht hart war. Die Ur
sache dieses Geschwürs war gänzlich unbekannt. Der Jüngling
hatte früher an Drüsen gelitten, war auch jetzt noch von scro-
phulöser Constitution und meinte, das Geschwür habe sich aus
eiuem aufgekratzten Blütchen herangebildet. Das Letzte mag
seyn; aber das Uebel sah ganz wie Schanker aus; indessen da
Pat. mir keine Eröffnung machte und niemals syphilitisch gewe
sen seyn wollte, so leitete ich, in Berücksichtigung der Con
stitution des Pat., eine antiscrophulöse Behandlung ein. Ob- ’
gleich die verordneten Mittel ordentlich gebraucht, Diät gehal-
ten und Regim befolgt wmrden, so schickte sich das Geschwür
nicht zur Heilung an, und war nach 6 Wochen, bis auf eine
kleine Vergrösserung, noch unverändert und stand immer noch
isolirt da. Das üble Aussehen des Pat. und die Abmagerung
an seinem Körper brachte ich mehr auf Rechnung der strengen
Diät und der Angst, die ihm das Geschwür und die Aussicht,
eine unvertilgbare Narbe zu bekommen, machten; allein das
iible Aussehen und die Abmagerung waren wohl Folge syphili
tischer Dyscrasie. Denn jetzt fiel dem jungen Sünder ein, dass
er ein Mädchen gebraucht, bald darauf ein „Fressbläschen“ an der
Eichel bekommen und dieses vermittelst eines Waschwassers,
das ihm ein Bekannter gegeben, w r eggebracht habe. Seitdem
waren etwa 9 Monate verflossen; aber woraus jenes Waschmit
tel bestanden, war nicht zu ermitteln, da der Geber nicht mehr
aufzufinden war. — Nach dieser Eröffnung reichte ich dem '
Pat. kleine Gaben Kalomel und nach 3 Wochen war das Ge
schwür spurlos verschwunden. Auch dieser Kranke lebt noch
in unserm Orte, ist gesund und seitdem Vater von 7 Kindern
geworden. — 3) Ein ähnlicher Fall ereignete sich an einem
jungen Musiker, der am linken Mundwinkel ein syphili
tisches Geschwür trug. Mein Verdacht, dass das Uebel
syphilitischen Ursprunges und w ahrscheinlich die Folge des Con-
cubitus mit einem unreinen Mädchen sei, frappirte ihn wunder
bar und verleitete ihn zu Schwüren und Versicherungen, dass-
er noch niemals unerlaubten Umgang mit einem Mädchen gehabt
habe und im eigentlichen Sinne des Wortes noch Junggesell«