Full text: (Neueste Folge, Band 3 = 1836, No 17-No 24)

I. Pathologie, Therapie und medicinische Klinik. 211 
Practiker oft um so mehr in Verlegenheit, wenn die fraglichen 
Geschwüre an ungewöhnlichen Stellen des menschlichen Kör 
pers Vorkommen und ohne pathognomonische Charactere richtig er 
kannt werden sollen. Dahin gehören folgende, mir vorgekom- 
»nene Fälle. — 1) Ein kräftiger Mann, in seinen besten Jahren 
und von blühender Gesundheit, hatte ein Zungengeschwür. 
Dasselbe sass, von einem bis zum andern Rande der Zunge 
gerechnet, gerade in der Mitte, jedoch mehr nach vorn, als 
nach hinten; war so gross wie ein Sechser, etwa 3—4 Linien 
tief und hatte einen unreinen , mit schmuziger Lymphe fest über 
zogenen Grund. Das Uebel stand ganz isolirt da: im Munde 
und in der Rachenhöhle war nichts Krankhaftes zu entdecken; 
Pat. fühlte weiter keine Beschwerden, als Brennen in dem Ge 
schwüre und Schmerz, wenn er Warmes genoss oder festere 
Speisen kauete; übrigens war er mit allen Functionen seines 
Körpers in Ordnung und es fand sich weiter nichts Krankhaf 
tes, als einige unbedeutende Hämorrhoidalgefäss-Anschwellun 
gen am After. Ueber die Genesis des Geschwüres wusste er 
gar nichts anzugeben und im Betreif der Ursache bloss den ein 
zigen Umstand, dass er vor 18 Wochen eine öffentliche Dirne 
gebraucht, hierauf einen Eichel-Schanker bekommen habe und 
von demselben durch den alten Hahnemann in kurzer Zeit 
befreit worden sei. Der Schanker hatte weder Narbe noch Fleck 
zurückgelassen; die Glans penis und das Präputium waren von 
gesundem Ansehen. — Worauf sollte ich liier die Diagnose 
gründen "i Bios auf die Anamnese, und dann musste ich es. für 
«in Ulcus syphiliticum erkennen. Obgleich ich mich, zu dieser 
Annahme am meisten hinneigte; so wollte ich doch nicht gleich 
mit Me.rcurialten eingreifen. Vielleicht hätte sich das Gold für 
die Heilung des Zungengeschwürs geeignet; allein damals wa 
ren die Heilkräfte des Goldes noch nicht so bekannt. Ich ver- 
«rdnete zuvörderst strenge Diät, erweichende Mundwässer, liess 
Rosenhonig mit Borax auf das Geschw iir bringen, innerlich De 
coctum Sarsaparillae trinken und beabsichtigte damit, das Ge 
schwür in ein reines und gutartiges zu verwandeln. Allein so 
■wie sich dasselbe, seitdem Pat. es auf seiner Zunge bemerkt 
hatte, schnell herangebildet hatte, so wucherte es auch bet dem 
Gebrauche genannter Mittel rasch fort und hatte in wenigen Ta 
gen an Umfang und Tiefe zugenommen; der Umkreis desselben 
fühlte sich hart an und es genirte jetzt sogar beim Reden. Ich 
hess die Tisane forttrinken, die äussern Mittel aber zurückstel 
len und statt deren das Geschwür täglich einige Male mit einer 
kublimatsolurion auspinscln. Dißs that dem Kränken wohl« (las 
trennen im Geschwür verlor sich, die Wucherung desselben 
«and und die Zunge wurde wieder beweglicher. Indem mir 
dieser Umstand für” den syphilitischen Character des Geschwüres 
zu sprechen schien, verordnete ich den Sublimat bloss innerlich, 
u “d zwar Gran Abends und Morgens zu nehmen, während 
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