Full text: (Neueste Folge, Band 3 = 1836, No 17-No 24)

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II. Materia medica und Toxikologie. 
schwerden und hartnäckige StuliIVerstopfung. Ein Arzt behan 
delte ihn vergebens mit Brech - und Purgiermitteln, welche 
ihm ikterische Zufälle erzeugten; man versuchte eine Cur ge 
gen Bandwurm ohne Erfolg; ein anderer Arzt behandelte ihn 
abwechselnd mit drastischen Arzneien und starken Reizmitteln. •> 
Die Kopfschmerzen wurden aber nur heftiger, es stellte sich 
Gedächtnisschwäche ein, die schnell so zunahm, dass er seine 
Geschäfte nicht mehr verrichten konnte, ein. Im Monat Mai 1835 
wurde er nach Scheveningen geschickt. Schon das äussere An 
sehn verrieth Depression der Seelenkräfte, die Farbe war ikte- 
risch, die Zunge gelb belegt, der Appetit fehlte, der Stuhl 
gang war träge, der Puls langsam und ohne Energie. — Da 
die Jahreszeit die Seebäder noch verbot und eine Vorbereitung 
überdies nbthig schien, gab man dem Kranken ein infus, seif 
nae mit tart. tartaris. und e.vtr. chelidonii: dies Mittel schien 
ihm Anfangs gut zu bekommen, doch bald verschwand der 
Schein von Besserung. Eben so ging es mit der Anwendung 
von lauen Bädern mit gleichzeitigen kalten Begiessungen. Nach 
dem einigemal das Wasser zu kalt angewandt worden war, 
bildete sich ein W'echselfieber aus, von dem man sich Anfang* 
eine gute Wirkung auf den Gesammtorganismus versprach. Al' ? 
lein bald wurden die Anfälle von anhaltenden Delirien beglei 
tet, in den Intermissionen w ar der Kranke ganz blödsinnig und 
mitunter wieder jähzornig. Das Fieber wurde alsbald durch 
Chinin beseitigt und eine längere Nachbehandlung mit bittern 
Mitteln vorgenommen. Endlich nach hinreichender Vorbereitung 
fing er an in der See zu baden, wobei ihm zugleich Uebergies- 
sungen mit Seewasser gemacht wurden. Der Erfolg war sehr 
günstig. Nach jedem Bade wurde das Aussehen besser, es 
verlor sich die gelbe Gesichtsfarbe, Appetit stellte sich ein, dem 
Stuhlgang brauchte weniger nachgeholfen zu werden; der Puls 
wurde stärker und kräftiger, der Kopf freier. Die sanfte, 
freundliche Gemiithsart fand sich wieder ein, und der Kranke 
erinnerte sich wieder verschiedener Dinge und Verhältnisse, 
deren er sich früher gar nicht hatte entsinnen können. Nur 
von Zeit zu Zeit erschienen Krämpfe im Schlunde, als wenn 
ein Bissen verschluckt worden wäre, bald aber verschwanden ' 
auch diese völlig. Nach ungefähr 00 Seebädern kehrte auch 
das früher ganz verloren gewesene Ortsgedächtniss zurück; der 
Kranke ging aus, machte Besuche, verrichtete Geschäfte, löste 
ohne Beschwerde verschiedene Rechnuiigsaufgaben und konnte 
endlich vollkommen geheilt entlassen werden. 
(Der Schluss folgt im nächsten Hefte.)
	        
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