II. Matelia medica und Toxikologie.
143
wegen zu unvollkommenen oder zu undeutlich ausgebildetem
oberflächlichen Yenensystem ein Aderlass unausführbar ist.
In allen übrigen Fällen ist der Aderlass dies souveräne Mittel,
welches man nur zum Nachtheil und nicht ohne schädliche Fol
gen für die Gesundheit durch andere Blutentziehuiigsmethoden
zu ersetzen sucht. — 4) der Anwendung von Blutegeln lässt
sich vorzüglich entgegenstellen, dass sie da, wo eine widerna
türliche Aufregung oder ein Entzündungsreiz durch Blutlass be
seitigt werden soll, durch ihre eigenartige Einwirkung einen Auf
ruhr und einen neuen Reiz bewirken; dass sie das Blut nur lang
sam entziehen; dass sich die Menge desselben nicht berechnen
lässt; dass sie, ohne die Plasticität für den nöthigen Moment
schnell vermindern zu können, das Blutleben für längere Zeit
untergraben; dass sie Nervenzufälle und andere Übeln Folgen
erregen, und dass sie in den meisten Fällen nicht eine topische
Bluteutleerung bewirken, sondern stets nur durch Verminderung
der allgemeinen Blutmenge wirken und also durch einen Ader
lass vollkommen entbehrlich gemacht werden. Muss daher der
angezeigte Blutlass durch Blutegel bewirkt werden, so suche man
die Verletzung des intermediären Gefässnetzes möglichst zu be
schränken, die Blutentlerung schnell zu bewirken, die Blutung
nach Gutdünken zu leiten und zu stillen, und das Blutleben
und die v Plasticität gleichzeitig und in gleichem Grade herabzu
setzen. Man setze nur also wenig Blutegel und diese
über den oberflächlichen, im Ellenbuge oder am Fusse
sichtbaren kleinen Verzweigungen; denn werden Blut
egel über Venen augesetzt, so entziehen schon wenige, theils
durch ergiebiges Saugen, theils durch stärkere Nachblutung, in
kürzerer Zeit weit mehr Blut; so wird die nachtheilige Einwir
kung mehrerer Blutsauger auf die Emplindungsmasse abge
wendet oder doch vermindert; die Blutung an dem zum Verbände
schicklichen Orte nach Bedarf unterhalten und zum Schweigen
gebracht werden, das Blutleben wird weniger untergraben, da
hier die venöse Blutströmung und nicht das Blut des intermediären
Aderbezirkes in Anspruch genommen wird, und der Leidende
weder in seiner Lage gestört, noch am leidenden Tlieile ent-
blösst und andern schädlichen Einwirkungen nicht ausgesetzt.—
Da also die Venäsection niemals durch Application von Blut
egeln ersetzt oder entbehrlich gemacht werden kann, so ist dies
von blutigen und von trockenen Schröpfköpfen noch we
niger zu erwarten. Der trockene Schröpfkopl wirkt nicht allein
durch Reiz und durch vorübergehende Blutableitung, sondern auch
auf folgende 'Weise: durch den luftleeren Raum des Schröpf
kopfes und das durch diesen bewirkte Saugen wird die Iiaut-
atelle in die Höhle des Kopfes gezogen, das ganze Gefässnetz
11 nt er dem aufsitzenden Schröpfkopfe gereizt, die Empfiudungs-
•nasse schmerzhaft beleidigt und stellenweis zerstört, das in die
sen» Bezirke circulirende Blut dadurch angelockt und rascher in