108 II. Materia medica und Toxikologie.
Dafür ist sie desto bleibender. Als schlagender Beweis für
den günstigen Einfluss des Seewassers und der Seeluft dient die
Beobachtung, dass die Schifferknaben im Dorfe Scheveningen,
bei welchenScropheln, aber meist die mildern, einfachen Lymph-
scropheln ziemlich häufig Vorkommen, vom 9*. Jahre an, in
welchem Alter sie anfangen mit in See zu gehen, durchaus ge
sund werden und niemals Beste der Scropheinkrankheit mit über
die Pubertätsjahre hinausnehmen. Die liefern Scrophelleiden,
wie Rhachitis, sind in Scheveningen unerhört, Männer und
Weiber zeichnen sich durch blühendes Ansehn, durch geraden
und kräftigen Wuchs aus. Schwere und künstliche Entbindun
gen kommen, nach der Versicherung des dortigen Arztes, äus-
serst selten vor. — Die Leiden, welche durch gestörte Circu-
lation im Pfortadersystem begründet sind und zunächst die Hä
morrhoidalkrankheit ohne gehörigen Blutfluss durch den After sah
ich auf eine höchst günstige Weise sich entscheiden, indem nach
dem Gebrauche von ungefähr 20 Bädern und einem gleichzeiti
gen passenden Verhalten die mannichfachsten Veränderungen
in den Functionen der Unterleibsorgane erschienen. Nachdem
einige Zeit hindurch bei gespanntem und aufgetriebenem Leibe,
Koliken, Flatulenz und Tenesmen vermehrter Stuhlgang erfolgt
war, und sich zugleich mit reichlicher Galle und Schleim ver
mischte Ausleerungen eingestellt hatten, trat mit auffallender,
fast augenblicklicher Erleichterung Blutfluss durch den After ein.
Von dieser Zeit verminderten sich alle die verschiedenen krank
haften Symptome und die Genesung schritt rasch vorwärts. —-
In allen verschiedenen Krankheitszuständen zeigte sich aber
beständig vermehrte Thätigkeit der Haut durch kritische Aus
schläge und durch nächtliche Schweisse. Die Secretion des Urins
wurde vermehrt in Hinsicht auf Quantität und immer wurde
in demselben ein reichliches Sediment beobachtet. Fassen
wir nur alle im Vorhergehenden beobachteten Erscheinun
gen zusammen, so erkennen wir den auffallendsten Einfluss
der Seebäder auf die verschiedenen Hauptsysteme des Organis
mus. Es zeigen sich die Wirkungen auf das Nervensystem
vornehmlich durch die Kälte, dies zeigt der Schauder, der all
gemeine Hautkrampf, die Beängstigung in den Hypochondrien,
dies zeigen die consensuellen nervösen Erscheinungen, die Nei
gung zum Uriniren, das Herzklopfen, der schnelle, kleine, harte
Puls und der zum Theil nervöse Kopfschmerz, der in vielen
Fällen bemerkt wird; ferner die beschleunigte, kurze, ober
flächliche Respiration und die Verminderung dieser Erstwirkun
gen durch Gewohnheit. Zugleich erweist sich die günstigste
Wirkung auf die Nerven durch die harmonisch in allen Syste
men auftretenden Veränderungen und die hierdurch bedingte
allgemeine Euphorie. — Der Einfluss auf die Cirkulation im
Allgemeinen erweist sich, indem Entziehung der Wärme auf
der äussern Oberfläche und Freiwerden der Wärme von innen