88 III. Pathologie, Therapie und medicinische Klinik.
säure einige Linderung, und auch diese nur auf einige Wocheu.
Da änderte plötzlich sich die ganze Scene, und meine und eini
ger meiner Herrn Collegen Diagnose erhielt den letzten Stoss.
Mit dem plötzlichen Verschwinden des Schmerzes nämlich fingen
alle Speicheldrüsen an zu schwellen, Speichelfluss und Schwämm
chen in der ganzen Mundhöhle entstanden und heftiger Durch
fall schien die Kranke aufreiben zu wollen. Da die Kräfte mit
Schrecken abnahmen, so suchte ich dem Durchfalle durch eine
Knrnls. mit Land, liquid, eine Gränze zu setzen und reinigte
den Mund durch Borax in einem Decoct. salv. Hierdurch wur
den allmählich alle genannten Symptome gehoben, allein der
Schmerz war wieder an seiner alten Stelle. (Ich kann nicht
umhin hier einzuschalten, dass diese angeführten Symptome so
gleich nach dem Einnehmen von Pillen entstanden waren, wel
che die Pat. von einer alten Frau heimlich erhalten hatte, de
ren Dose sie aber vervierfacht hatte und die wahrscheinlich Queck
silber enthielten. Leider erfuhr ich dies erst nach dem Tode
der Kranken.) — Ich hielt die Linderung des Schmerzes durch
heftige Diarrhöe für einen Fingerzeig der Natur und behandelte
die Kr. mit ganz gelinden Abführmitteln (Tamarind. und Manna),
welche auch den Schmerz auf einer erträglichen Höhe hielten.
So hatte ich ein ganzes Jahr lang an der Kranken Versuche mit
den verschiedenartigsten Mitteln gemacht, ohne dass sich das
Leiden gemildert hätte, im Gegentheile hatten die Kräfte täg
lich abgenommen und zu Weihnachten 1834 war die Pat. so matt,
dass sie sich nicht ohne Unterstützung aufrichten konnte. Doch
auch bei diesem Verfalle der Kräfte zeigten sich noch nicht die
geringsten Symptome von Febr. hectica, hydropisclien Anschwel
lungen oder Brustaffectionen. — Die Kr., welche selbst an ih
rem W'iederaufkommen zweifelte, liess sich auch an diesem Fe
ste durchaus nicht von dem Genüsse des Kuchens (Stollens) ab-
bringeu, brachte sich aber dadurch in die bejammernswertheste
Lage. Der Schmerz stieg nämlich bis zu einem solchen Grade,
dass die Kr., wie ein Knaul zusammengeballt, Tag und Nacht
laut wimmerte und nicht eine Minute hindurch auf demselben
Orte liegen konnte. Dieser Zustand dauerte unter beständiger
Abnahme der Kräfte bis Anfangs Februar, wo bei nachlassen
dem Schmerze ödematöse Anschwellung der Augenlider, der Füsse
und zuletzt des Unterleibes eintrat. Hiermit verband sich eine
grosse Neigung zum Schlafe, welche den 16. Febr. Abends in
einen soporösen Zustand überging, in dem die Circulation und
Respiration nur ganz schwach fortdauerten. So vergingen, ohne
dass der Kranken irgend Etwas beigebracht werden konnte und
ohne eine Ausleerung, 3 Tage, nach welchen, am 20. Febr.,
das Leben gleich einem Lichte erlosch. — Mit der grössten Er
wartung schritt ich, im Beiseyn mehrerer meiner Herrn Collegen,
zur Section der zum Skelett abgemagerten Verstorbenen, und
fand das Räthsel gläuzend in der Bauchhöhle gelöst. Bei Oetf-