111. Pathologie, Therapie und medicinische Klinik. '<3
sich in der Nacht von selbst eingefunden hatte. Pat. hatte näm
lich in der Nacht einen ungewöhnlich langen, mit heftigem Sei
tenstechen beginnenden Anfall gehabt. Nach demselben war die
Stimme ganz vergangen, und bis zu der Zeit dieser Mittheilung
hatte sie noch keine Sylbe wieder gesprochen. Das Gehör war
ganz unversehrt, und sie gab durch Schreiben oder Zeichen zu
verstehen, dass sie jede Frage höre. Den Tag nachher, als sie
die Stimme verloren, fingen die Anfälle an, bedenklicher zu wer
den und kehrten auch viel häufiger wieder. Bald nach dieser V er-
schlimmerung bekam das Uebel zum ersten Male ganz das Ansehen
wahrer Katalepsie. Ungefähr eine Minute nach Aufhören eines
Anfalls und als sie sich schon ganz erholt zu haben schien, fiel sie
mit einem Male in anscheinend gesunden Schlaf. Das Gesiclitaeigte
die tiefste Ruhe, die Augen waren geschlossen und hob man ihr
die Augenlider auf, so sah man, wie die Augäpfel sich auswärts
drehten und die Pupille sich erweiterte. Der Athmen war ruhig,
und Arme, Beine lind Füsse, obgleich von seihst steif ausgestreckt,
Hessen sich doch ohne Gewalt beugen und behielten jede ihnen ge
gebene Stellung. Anfangs trat der kataleptische Anfall nur nach
den andern Paroxysmen ein, nach einigen Tagen ging er ihnen aber
auch Voran und zugleich verlängerte sich auch seine Dauer. Am
25. stellten sich die sehr merkwürdigen Symptome, wie folgt, ein:
Pat. machte eben, um eine Frage an sie zu beantworten, ihre Zei
chen, als sich plötzlich über ihr Gesicht ein Lächeln verbreitete,
und in einem Augenblicke die kataleptische Unempfindlichkeit völ
lig ausgebildet war. Sie lag ungefähr 15 Minuten ruhig, als ein
heltiger Anfall, der eben so augenblicklich als der erste eintrat,
ungefähr 3 Minuten ihre Ruhe unterbrach; darauf kehrte die Ka
talepsie zurück, dauerte wieder Stunde und verliess sie, im Be
sitz aller Vermögen, die Sprache ausgenommen. Pat. erwachte,
einige grelle Schreie ausstossend, die allmählich in seufzendes
Klagen übergingen und drückte darauf die Hände rasch an ihre
linke Brust, als wenn sie in der Herzgegend Schmerz fühle. Ei
nen andern Tag hielt die Katalepsie gegen 3 Stunden an, wäh
rend welcher Zeit Pat. ausgestreckt und ganz ohne Besinnung da
lag. Das Gesicht zeigte aber dies Mal nicht die gewohnte Ruhe,
die Adern desselben strotzten bis zu ihren entfernten Zweigen
von Blut, die Kranke bekam eine dunkelpurpurrothe Farbe, die
Beine wurden ungewöhnlich steif und blieben es auch, bis die
dunkle Farbe aus dem Gesichte wich, wo sie dann sogleich schlaff
und biegsam wurden. Während des Anfalls machte man neben
der Kranken Musik, aber sie schien gar nicht darauf zu achten,
als man aber kaltes Wasser aus einer gewissen Höhe auf den
Kopf goss, schrie sie heftig, das Gesicht wurde dunkelroth, und
Pat. bekam einen furchtbaren Anfall von Schluchzen, verlor aber
das Bewusstseyn. Als man sie später in einem Augenblicke, wo
sie Empfindung äusserte, fragte, ob sie die Musik gehört, oder
den Eindruck des Wassers empfunden, antwortete sie verneinend.