Full text: (11. Band = 1835, No. 9-No. 16)

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VI. Psychiatrie. 
des Hodensacks, bis zum Gliede herauf. Der Leistencanal war 
an der untern äussern Oeffnung und wohl auch an seiner inueru 
obern, da die Därme seit der Castration nicht wieder hineintra' 
ten, auf beiden Seiten geschlossen. Bei Untersuchung des Kör 
pers und namentlich der verstümmelten Geschlechtsteile sah Pat. 
stets, sich schämend, zur Seite. Den Urin konnte er gut hal 
ten. Er kleidete sich reinlich und ordentlich, beantwortete die 
an ihn gerichteten Fragen zwar langsam und etwas ängstlich, doch 
richtig und zeigte dabei ein gutes Gedächtniss, gerieth aber, wenn 
man auf seine Entmannung kam, in sichtliche Verlegenheit. Mau 
suchte ihn, wie man nur konnte, zu trösten, und er versprach, den 
ärztlichen Vorschriften ganz zu folgen. Die ersten Monate war 
seine Gemüths«timmung sehr veränderlich, doch immer mehr zur 
Schwerinuth hinneigend; bald war er bekümmert um die Seini- 
gen, bald wieder gefasster. Die Nächte schlief er wenig, doch 
fing er an, fleissig sich mit etwas Nützlichem zu beschäftigen. 
Gegen die Uuterleibsstockungen erhielt er leicht verdauliche Nah 
rungsmittel, gelind bittere Extracte mit Neutralsalzen, Salmiak, 
Sennesblätter mit Glaubersalz und wöchentlich 3 Bäder zu 28°lt., 
zum Lesen aber ein Gesangbuch und die Stunden der Andacht. 
Die Kirche besuchte er die erste Zeit nicht, weil er dess, wie 
er sagte, nicht würdig sey, später aber ging er regelmässig in 
dieselbe. Im Frühjahre 1832 besorgte er theils Gartenarbeiten, 
titeils beaufsichtigte er andere Verpflegte und unterstützte freu 
dig die Wärter auf der Krankenburg bei ihren schweren Geschäf 
ten, damit „die Liebe seiner Sünden Menge bedecken möge.“ 
Dies thut er noch jetzt mit treuem Eifer und regem Mitleide, und 
man erkennt dies von Seiten der Anstalt, wie es möglich ist, 
an. Nach und nach wurde er gemüthlich ruhig und körperlich 
wieder kräftig und gelangte allmählich bis zu dem Grade der 
Genesung, den er jetzt durch folgenden Zustand zeigt: sein 
Blick ist freundlich, heiter, die Gesichtsfarbe gesund, Leber, 
Blutumlauf, Verdauung und Blutbereitung sind normal und ihre 
Organe ganz gesund, der Schlaf ist ruhig und ohne Träume und 
am Tage hilft er, wo er nur helfen kann. Im Gespräche be 
merkt man an ihm leichtes AulTassen der an ihn gerichteten Fragen 
und richtige Erkenntniss seines ganzen gegen sonst so glücklichen 
Zustandes, überlegtes, besonnenes Urtheil und durch Vernunft 
geregelten Willen. Mit Allen lebt er im besten Einverständnisse 
und immer nahm er die Seinigen mit gewohnter Güte, wenn sie 
ihn besuchten, auf. Im vorigen Herbste wünschte er auf einige 
Tage seine Frau zu besuchen; was ihm erlaubt wurde, um ihm 
zu zeigen, dass man Vertrauen zu ihm habe. Er benahm sich 
zu Hause untadelhaft und kehrte zur gehörigen Zeit, über das 
Schicksal der Seinigen beruhigt, in die Anstalt zurück, äusserte 
aber doch, dass ihn das Wiedersehen seiner Frau etc. mit stiller 
Wehmuth erfüllt habe. Er ist mit seiner Lage zufrieden, er 
kennt dankend, was er in der Anstalt erhalteu hat und bleibt
	        
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