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VI. Psychiatrie.
des Hodensacks, bis zum Gliede herauf. Der Leistencanal war
an der untern äussern Oeffnung und wohl auch an seiner inueru
obern, da die Därme seit der Castration nicht wieder hineintra'
ten, auf beiden Seiten geschlossen. Bei Untersuchung des Kör
pers und namentlich der verstümmelten Geschlechtsteile sah Pat.
stets, sich schämend, zur Seite. Den Urin konnte er gut hal
ten. Er kleidete sich reinlich und ordentlich, beantwortete die
an ihn gerichteten Fragen zwar langsam und etwas ängstlich, doch
richtig und zeigte dabei ein gutes Gedächtniss, gerieth aber, wenn
man auf seine Entmannung kam, in sichtliche Verlegenheit. Mau
suchte ihn, wie man nur konnte, zu trösten, und er versprach, den
ärztlichen Vorschriften ganz zu folgen. Die ersten Monate war
seine Gemüths«timmung sehr veränderlich, doch immer mehr zur
Schwerinuth hinneigend; bald war er bekümmert um die Seini-
gen, bald wieder gefasster. Die Nächte schlief er wenig, doch
fing er an, fleissig sich mit etwas Nützlichem zu beschäftigen.
Gegen die Uuterleibsstockungen erhielt er leicht verdauliche Nah
rungsmittel, gelind bittere Extracte mit Neutralsalzen, Salmiak,
Sennesblätter mit Glaubersalz und wöchentlich 3 Bäder zu 28°lt.,
zum Lesen aber ein Gesangbuch und die Stunden der Andacht.
Die Kirche besuchte er die erste Zeit nicht, weil er dess, wie
er sagte, nicht würdig sey, später aber ging er regelmässig in
dieselbe. Im Frühjahre 1832 besorgte er theils Gartenarbeiten,
titeils beaufsichtigte er andere Verpflegte und unterstützte freu
dig die Wärter auf der Krankenburg bei ihren schweren Geschäf
ten, damit „die Liebe seiner Sünden Menge bedecken möge.“
Dies thut er noch jetzt mit treuem Eifer und regem Mitleide, und
man erkennt dies von Seiten der Anstalt, wie es möglich ist,
an. Nach und nach wurde er gemüthlich ruhig und körperlich
wieder kräftig und gelangte allmählich bis zu dem Grade der
Genesung, den er jetzt durch folgenden Zustand zeigt: sein
Blick ist freundlich, heiter, die Gesichtsfarbe gesund, Leber,
Blutumlauf, Verdauung und Blutbereitung sind normal und ihre
Organe ganz gesund, der Schlaf ist ruhig und ohne Träume und
am Tage hilft er, wo er nur helfen kann. Im Gespräche be
merkt man an ihm leichtes AulTassen der an ihn gerichteten Fragen
und richtige Erkenntniss seines ganzen gegen sonst so glücklichen
Zustandes, überlegtes, besonnenes Urtheil und durch Vernunft
geregelten Willen. Mit Allen lebt er im besten Einverständnisse
und immer nahm er die Seinigen mit gewohnter Güte, wenn sie
ihn besuchten, auf. Im vorigen Herbste wünschte er auf einige
Tage seine Frau zu besuchen; was ihm erlaubt wurde, um ihm
zu zeigen, dass man Vertrauen zu ihm habe. Er benahm sich
zu Hause untadelhaft und kehrte zur gehörigen Zeit, über das
Schicksal der Seinigen beruhigt, in die Anstalt zurück, äusserte
aber doch, dass ihn das Wiedersehen seiner Frau etc. mit stiller
Wehmuth erfüllt habe. Er ist mit seiner Lage zufrieden, er
kennt dankend, was er in der Anstalt erhalteu hat und bleibt