V. Staatsarzneikunde.
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Unterschied zwischen 20 — 30 Jahren. Noch günstiger ist dies
Verhältnis» auf dem Lande, denn in allen Lebensperioden von
Kindheit an sterben daselbst weniger Menschen, als in grossen
Städten; aber mit dem 00. Jahre wird die Sterblichkeit der Land
bewohner wieder beträchtlicher, als bei den Städtern: natürlich,
weil auf dem Lande eine grössere Anzahl zu sterben übrig blieb.
Sollen diese Schwankungen nicht störend und irreleitend werden,
®o muss, wenn das Sterblichkeitsverhältniss nach einzelnen Län
dern und nach einzelnen Städten gefunden werden soll, eine
möglichst grosse Länderzahl und ein möglichst grosser Zeitraum
in die Berechnung gezogen werden, und es bedarf keiner Erläu
terung, dass solche Probabilitätsrechnungen ein um so sichereres
und um so allgemeiner passendes Resultat geben werden, je
mehr Länder und Jahre eine solche Berechnung einschliesst.
Ich habe daher neben jener nach 1^ Millionen gestorbenen Men
schen gefertigten allgemeinen Tabelle noch eine specielle von
Leipzig entworfen und dazu 41,30(5 Todte genommen, welche in
30 Jahren, nämlich von und mit 1801—1830 auf unserm Gottes
acker beerdigt wurden. Dabei habe ich alle gestorbene Solda
ten, wie auch andere, unbekannte, meistentheils todt gefundene
Personen, deren Alter unbekannt und nicht angegeben war, aus
geschlossen, und das wohl mit Recht, da diese ephemeren Er
scheinungen auf die stationäre Mortalität keinen Einfluss haben
können. Ich habe diese Fälle nach unsern, allwöchentlich erschei
nenden Leichenzetteln ausgemittelt, weil ich den Unterschied
der Sterblichkeit sowohl nach den einzelnen Monaten des ersten
Lebensjahres, als auch nach den einzelnen Jahren des übrigen
Lehens kennen lernen wollte: unsere alljährlich erschienenen
Sterbelisten aber, bei einer übrigens sehr zweckmässigen Ein
richtung, den ersten Unterschied gar nicht, den letztem aber blos
von 5—5 Jahren angeben. — Der genannte 30jährige Zeitraum
schien mir in mancherlei Hinsicht ein zuverlässiges Ergebnis» zu
versprechen: die Schntzpockenimpfueg, welche auf die Lebens
dauer so grossen Einfluss übt, hat mit diesem Jahrhunderte» ihre
schützenden Flügel immer mehr über unsere Kinder ausgebreitet.
Leipzig feierte noch in dieser Epoche die goldreiche Zeit seines
Flors, und Ueppigkeit und Luxus schleuderten manchen verderb
lichen Keil gegen die Gesundheit seiner Bewohner, und von ih-
rem giftigen Hauche verwelkte manche junge Blüthe. Wir haben
m dieser Zeit zwei merkwürdige, harte Kriege erlebt: fremde
Völker aus ganz verschiedenen Weltgegenden durchzogen unsere
Auen und wohnten in unsern Häusern; Schrecknisse und Calami-
täten aller Art, Belagerung, Theuerung, Ilungersnoth, verhee-
rende Seuchen sind über uns hingeschritten, und haben merk
bare Spuren hinterlassen. Als der Würgengel in übermässigem
Morden ermüdet, trat eine unverhältnissmässig geringe Sterblich-
heit ein, um die Lücken wieder auszufüllen. Aber. wir sehen
Leipzig in seinem Wohlstaude zurückgekomraen; Arrnulh, Noth