286 Ul. Pathologie, Therapie und medicinlsche Klinik.
Arbeitete Chylus der Quantität nach bedeutend geringer, als der
rohe. Ohne sich hier darauf einlasseil zu wollen, den leinen
chemisch-dynamischen Process, auf dem die Verwandlung des
rohen Chylus in weisses Blnt beruht, genauer Zu verfolgen, drängt
eich doch, betrachtet man die ungeheure Menge von Venen und
Arterien, die, besonders in den conglobirten Drüsen, mit den
Lymphgefässen zusammentreten, der Gedanke auf, dass dieser
Gefässapparat bei jenem Process eine nicht unbedeutende ltoll®
spiele. Was das. thätige Eingreifen des arteriellen Systems he'
Bereitung des Chylus anlaugt, so ist dasselbe nicht zu bezwei
feln, vielleicht, indem es bei seinem Zusammentritt mit dem
Lymphsystem Sauer- und Stickstoff an den Chylus absetzt, eine»
Theil des Eiweissstoffes in Faserstoff umwaudelt, und die ganze
Masse desselben animalisirt. So wie aber das arterielle System
liier gewiss thätig eingreift, eben so bedeutend ist auch die Thä-
tigkeit des Venensystems bei diesem Vorgang. Dafür, dass das
selbe als einsaugendes System mit dem lymphatischen nicht nur
an dessen Ursprung, sondern auch in den conglobirten Drüsen
Behufs der Läuterung des Chylus Zusammentritt, und diesen von
den zu weissem Blute nicht zu verarbeitenden Stoffen befreit,
liessen sich viele Thatsachen anführen. Abgesehen von der quan
titativen Verminderung des aufgesogenen Chylus in seinem Ver
lauf spricht dafür die offenbar verschiedene Beschaffenheit des
Pfortaderbluts von anderem Venenblute, und die unverliältuiss-
mässige Capacität der .Aeste der Pfortader zu den entsprechen
den Arterien. Vorzüglich aber spricht dafür das Secret der al
les Pfortaderblut in sich anfnehmeuden Leber. So besteht der
Gallenstoff meist aus Eiweissstoff, dieser unterscheidet sich aber
von dem im Blute dadurch, dass er keinen Stickstoff enthält und
bei Destillation kein Ammonium liefert, worin der sicherste Be
weis für Abscheidung des Gallenstoffs aus dem Pfortaderblut, so
wie dafür liegt, dass die Aeste der Pfortader diesen Eiweiss
stoff dem rohen Chylus entzogen haben. In welcher Art die
Verbindung zwischen den in Rede stehenden Systemen Statt hat,
ob durch wahre anatomisch darstellbare Anastomose, oder auf
feinere dem Auge unzugängliche Weise, darüber misst sich V»
St. keine Entscheidung an. Doch ist es nicht denkbar, dass alle für
unmittelbare Anaslomose zwischen Venen und Lymphgefässen
sprechenden Beobachtungen glaubwürdiger Männer auf Täuschung
beruhen sollten. Mehr über die Bedeutung der Leber als ab
sonderndes Organs zu sprechen ist hier nicht nöthig. Es ge-
nügt, durch Gründe dargethan zu haben, dass die Secretion die
ses Organs grossen Theils von der Pfortader ausgehe, und dass
das Blut derselben durch sie die, vom Lymphsystem aufgeso-
geneti Stoffe, die der Aniinalisatlon unfähig sind, abscheide.
Demnach hätte man in der Leber ebenfalls ein Organ, in dem
man die Quelle abnorm vermehrter Absonderung, unil somit Ver
mehrter Ausscheidung durch deu Darmkanal finden, das also zur