III. Pathologie, Therapie und medicinische Klinik. 269
im Unterleibe, welcher sich bis in den linken Oberschenkel er
streckte und bei einer durchdringenden Befühlung des Unterlei
bes nur wenig, sehr aber durch eine versuchte Streckung des
Schenkels vermehrt wurde; sie lag auf dem Kücken, mit dem
Oberkörper hoch, und nach dem kranken Schenkel zu etwas ge
beugt; mit emporgeliobenen Knieen und angezogenen Piissen.
Ihre Gesichtszüge, sclimerzhatt verzogen, bestätigten ein tiei em
pfundenes Leiden. Sie konnte weder den Oberkörper, noch die
Schenkel ausstreckeu, und konnte nur mit der höchsten Anstren
gung sich wenden. Die Temperatur des Körpers war heisser,
als gewöhnlich, die Haut trocken, der Puls frequent und härtlich,
dochjjmehr leer, als voll, die Kräfte waren gesunken, Fleisch und
Fett geschwunden; Frost und Hitze wechselten ohne bestimmte
Ordnung; sie hatte mehr Durst als gewöhnlich, keinen Appetit
zum Essen, belegte .Zunge, spärlichen und dann harten Kothab
gang, welcher auch durch die behinderte Aufrechthaltung des
Körpers beschwerlicher gemacht wurde, sehr tingirten, rohen
Urin, wenigen, und besonders durch lebhaften Schmerz gestörten
Schlaf, gegen Morgen schwächende Scliweisse. Der Fuss des
betroffenen linken Schenkels war etwas ödematös angeschwollen,
pie Dauer der Krankheit erstreckte sich bereits auf vierzehn
Tage. — Die Frau sagte mir, dass sie schon vor vier Jahren
auf ähnliche Weise, doch nicht so lieflig auf der rechten Seite
Krank gewesen sey; es habe sich dann ein Abscess auf dem Kü
cken derselben Seite gebildet, der durch einen hiesigen Chirurgen
geöffnet worden sey. Sie war 41 Jahre alt, klein von Person,
mager, schwächlich, seit ihrem 16. Jahre menstruirt, mehrere
Jahre verheirathet, doch ohne Mutter zu werden, die sonstigen
Geschlechtsfunctionen waren in Ordnung. Eine besondere Ver
anlassung konnte mir auf die deshalb an sie gerichteten Fragen
nicht angegeben werden. — So wenig die Diagnose vorliegenden
Krankheitszustandes einer besonderen Schwierigkeit unterliegen
konnte, so misslich stand es doch mit der Prognose, und mit
Feststellung eines rationellen Heilplanes. Der Sitz der Krank
heit war offenbar in den Lendenmuskeln; und mit fast derselben
Sicherheit liess sich bereits Ansammlung von Eiter annehmen;
dafür sprach mir der Charakter des Fiebers, die bereits längere
Uauer der Krankheit, und das Oedem des Fusses. Sehr zwei
felhaft schien es aber, ob die Natur eines so ärmlich ausgerüste
ten, und überdies durch den schon früher erlittenen Eiterungs-
process geschwächten Körpers auch dies Mal den abgesonderten
Fiter glücklich werde so weit befördern können, dass er der
Kunst zugänglich würde; und vorzüglich, ob sie die Hauptkrank-
beitsursache in ihrem ganzen Umfange werde beseitigen können; in
"sichern Puncte ich um so unsicherer war, da ich wegen Nicht-
kcnntuiss derselben ihr auch die jedenfalls nöthige Leitung durch
die Kunst nicht gewähren konnte. Denn zur Annahme von Rheu
matismus meine Zuflucht zu nehmen, fand ich viel zu wenig Ver-