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IL Medicinische Physik und Chemie.
eines Diabetischen nie sauer reagire, dass aber bald nach 3, bald
erst nach 30 und 40 Stunden die saure Reaction eintrete. Diese
Säuerling tritt sowohl in verschlossenen Gelassen, als bei Zutritt
der atmosphärischen Luft ein. Aus einem Versuche indessen,
den ich nichts desto weniger über etwaige Absorption und fix*
halation von Gasen anstellte, glaube ich schliessen zu können,
dass Sauerstoff absorbirt, und Kohlensäure ausgehaucht wird.
Zunächst war nun zu untersuchen, ob die gebildete Säure nicht
etwa Essigsäure sey, entstanden durch eine schnell eintretende
eaure Gährung; allein auch nicht eine Spur von Essigsäure war
zu entdecken. Demnach konnte es Milchsäure seyn, welche man
in der Zoochemie gewöhnlich da als vorhanden ännimmt, wo sich
eine saure Reaction zeigt, welche sich' auf Wasser, Alkohol und
Aether übertragen lässt, durch Destillation zerstört wird, und in
dem Fluidum, dem sie milgetheilt ist, keine Spur von Krystaili-
sation zuiässt. Ich zog demnach den wohlausgetrockneten festen
Rückstand sorgfältig mit Aether aus; der verdampfende Aether
liess ein Netz von baumartig verzweigten Krystallen zurück, wel
che anfangs von hellgelblicher Farbe sind, nach einiger Zeit aber
mehr bräunlich werden, wobei sich nun erst glänzende, Licht
stark reilectirende Krystallflächcn zeigen. Diese Krystalle sind,
wie ich durch vielfältige Behandlung derselben fand; nichts an
ders als Harnbenzoesäure, oder die von Likbig sogenannte
Ilippursäure. — Gm die allmähliche Zunahme der Säuerung zu
bestimmen, sättigte ich einige Tage hintereinander jedes Mal
100 Gr. *) Harn mit einer hinreichenden Menge kohlensauren
Baryts, bis die saure Reaction verschwand; am dritten Tage,
nachdem der Harn gelassen worden war, wurde 0,0484 Gr. Ba
ryt gesättigt, am vierten Tage 0,0902, am fünften 0,1470, am
sechsten 0,2149, am siebenten 0,2600, am achten 0,3179. Aus
dem Allen geht also hervor, dass die Harnbenzoesäure wenig
stens in diesem Falle nicht ein Educt des Harns sey, sondern
vielmehr ein Product der Zersetzung. Aus welchem Körper aber
sich diese Säure bildete, habe ich nicht erforschen können. —
Im Uebrigen enthielt dieser Harn ganz dieselben Bestandtheile,
welche ich bei dem ersten Falle gefunden und aufgeführt habe.
Auch hier ist es merkwürdig, dass der Harn keine oder sehr
wenig stickstoffhaltige Körper enthielt; von Harnstoff, Harnsäure
und ammoniakalischen Salzen war keine Spur zu entdecken. Nur
aus dem ätherischen Extracte konnte ich vermittelst Aetzkalks
einen schwachen Geruch von Ammoniak hervorbringen. Auch hier
gelang es mir nicht, Eiweiss aufzufinden, daher denn auch der
Harn ohne Zusatz von Hefe nicht in die weinige Gährung über
ging. Die Abwesenheit des Eiweisses ist hier um so merkwür
diger , als man bei Phthisikern gewöhnlich Eiweiss im Harne fin
*) Gramm, französisches Decimalgewicht, 1 Gramm entspricht 18,8 Gran
unseres MedicinaJgewichtes.