II. Medicinische Physik und Chemie.
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drittes Uebel: es bildete sich nämlich tuberculöse Lungenschwind
sucht aus, in deren zweitem Stadium er sich befand, als er im
Monat September v. J. im hiesigen Jacobshospitale aufgenommen
wurde. Jedoch nur zu bald ging dieses Uebet in das dritte Sta
dium über; denn nach längerer Stuhlverstopfung traten mit einem
Male colliquative Durchfälle, mit dem schmerzhaftesten Tenes-
inus verbunden, ein. Colliquative Schweisse und ein reichlicher
Auswurf einer höchst übelriechenden Masse blieben nicht aus.
Cm so merkwürdiger war es aber, dass sich zu diesen colliqua-
tiven Ausleerungen noch eine dritte gesellte, nämlich eine über
mässige Absonderung eines süss schmeckenden Harns, in der man
bald das Wesen des Diabetes mellitus erkannte. Die Verdauung
War fast immer gestört, die Zunge mehr oder weniger belegt,
Druck irn Magen, öfters Neigung zum Erbrechen, der Unterleib
war tympanitisch aufgeschwollen. An den Urinwerkzeugen selbst
konnte durchaus kein Leiden wahrgenommen werden. Das Kie
ker war hektisch, der Puls häufig, schnell, härtlich; die Wärme
der Haut bald vermehrt, bald vermindert. Der Durst war oft
R ehr bedeutend. Fast stets leerte der Kranke eine Messkanne
Urin mehr aus, als er an Flüssigkeiten zu sich genommen hatte.
Cr nahm nämlich gewöhnlich in 24 Stunden 5 Messkannen Hiis-
sigkeit zu sich und leerte 6 Kannen Urin aus, ohne dass we
der durch diese übermässige Ausleerung, noch durch die übrige
Colliquation der Kranke eben sehr schnell dem Tode zugeführt
worden wäre. Denn er starb erst Ende Aprils, während er sich
schon am 6. Februar in diesem Zustande befand, von welchem
Tage'an ich den Urin desselben 24 Tage hindurch untersuchte.
Was die Mediation betrifft, so konnte sich dieselbe natürlich nur
»ach den hervorstechendsten Symptomen richten; es würde hier
zu weit führen und dem Zwecke dieser Abhandlung zuwider seyn,
eine detaillirte Beschreibung derselben-zu geben. — Qualitative
Untersuchung. Physische Eigenschaften. Dieser Urin,
welchen der Kranke binnen 24 Stunden vom 5. bis 6. Februar ge
lassen hatte, war von strohgelber Farbe, trübe, durch Filtrircn
Wurde er nicht heller; seine Consistenz glich der eines Althädecocts
y on einer halben Unze Wurzel auf 6 Unzen Wasser- Geschüttelt
schäumte decUrin sehr, was Viele für. ein charakteristisches Zei
chen diabetischen Harns halten; dies ist es aber keineswegs; denn
öfter fand ich den Harn dieses Kranken nicht mehr und nicht
Weniger schäumend, als gesunder zu seyn pflegt. Der Geruch
War sehr unbedeutend railchähnlich, der Geschmack süsslich, fad.
^cin specißsches Gewicht fand ich = 1,0285. — Chemische
Eigenschaften. Schon früher ist erwähnt worden, dass frisch
Belassener, diabetischer Harn die Eigenschaft nicht habe, Laok-
c»uspapier zu röthen, dieselbe aber früher oder später erlange.
l°h habe mich bei diesem zweiten Falle nun bemüht, die Ursa-
c he dieser allmählichen Säuerung zu ergründen. Demnach beob
achtete ich zuerst 20 Tage hindurch, dass frisch gelassener Urin
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