232 III. Pathologie, Therapie und medicinische Klinik.
zu geben. Dennoch erhielt er dieselbe erst am 4. Dec. Er be
gab sich nun sogleich ohne Weiteres zur Kranken, die er, wie
folgt, fand: das Gesicht war blass, zusammengefallen, mit kal
tem Schweisse bedeckt, die Nase spitz, die Augen zuriickgesun-
keu und die ganze Physiognomie drückte tiefes Leiden aus. Der
Unterleib war gespannt, sehr aufgetrieben, äusserst empfindlich
und durch die dünnen Bauchwandungeu konnte man einzelne
hoch aufgetriebene Darmpartien, besonders vom Colon transver-
sum, sehen und fühlen, die sich bald inehr, bald minder zusam-
menzogen. Der Schmerz sass besonders in der Nabelgegend
und erstreckte sich von da nach beiden Seiten und tief in den
Unterleib abwärts. Er sollte unerträglich, brennend, dehnend seyn
und durch Contraction der Därme sehr vermehrt werden. Oeff-
niiiig war nicht erfolgt, wohl aber anhaltendes, höchst quälendes
Erbrechen einer düunen, bräunlichen, stinkenden Materie, über
deren kothartigen Geruch und Geschmack Pat. sehr klagte. Alles,
sobald es genossen war, wurde ohne Unterschied wieder ausge
brochen. Durch den Schlund fühlte Pat. heftiges Brennen, und
zuweilen trat auch sehr quälendes Schluchzen ein. Die Zunge
war trocken, bräunlich belegt, der Puls schnell, sehr klein, die
Extremitäten kalt. Sonst lag Pat. ruhig, da jede Bewegung die
Schmerzen steigerte. Die Klystiere sollten sogleich wieder ab
gegangen, und die Frau überhaupt nicht gut zu klystieren seyn.
Bei der deshalb vorgenommeueii Untersuchung fand FI. eine, nach
Anssage der Kranken, schon vor mehreren Jahren bei einer Ent
bindung, wahrscheinlich durch gewaltsames Dehnen der Hebamme
entstandene Ruptura perinaei, in deren Folge das Rectum 1
tief eingerissen war. Mit dem Finger stiess H. gleich auf Mas
sen von bräunlich-gelbem, ziemlich festem Kothe, die er so lange
entfernte, bis das ganze Rectum bis an die Krümmung, die es
links am Promontorium macht, leer war. Der Darmriss Hess hier
weiter Vordringen, als sonst möglich ist. Im Rectum selbst fand
sich kein Hiuderniss, nur schien es ungewöhnlich weit und schlaff.
Die Operation selbst war der Kranken nur wenig beschwerlich.
FI. musste hiernach baldigen Uebergang der Entziinduug in Gan-
grän, Eintritt des vollständigen Kothbrecheus, und den nicht mehr
fernen Tod befürchten. Da Patientin, weil sie alles wieder weg
bräche, nichts, oder höchstens nur Tropfen nehmen wollte, so
liess der Vf. alle halbe Stunden einen Tropfen OL Croton. auf
gestossenem Eise mit Zucker nehmen, auf den Unterleib aber
12 grosse Blutegel setzen, und Klystiere aus Tabacksabsud mit
Leinöl geben. Am 5. hatten die Leiden der Kranken sämmtlich
zugenommen. Der Unterleib war viel grösser, gespannter, die
aulgetriebenen Darmpartien traten schroffer hervor, uud der
Schmerz war kaum zu ertragen. Durch das Erbrechen war nicht
nur dünner Darmkoth, sondern, auch ein Theil der Tabackskly-
stiere mit Leinöl, über deren Geschmack Pat. sehr klagte, aus
geleert worden. Diejenigen Klystiere, die nicht ausgebrocheu