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II. Pathologie, Therapie und medicinische Klinik.
eine Richtung genommen, welche für die. wichtig scheint, die
Gang und wechselnde Gestalt epidemischer Krankheiten betrach
ten. Zwar sind gastrisch-nervöse Fieber auch in andern Gegen
den und Provinzen oft' genug vorgekommen, aber wohl nicht von
derselben Art und Form, wie in genannter Stadt, selbst in der
nächsten Umgegend, so wie in säinmtlichen Kreisen von Ober
schlesien ist die Krankheit fast nirgends zu der Zeit in der
Weise oder Verbreitung wie in Oppeln beobachtet worden. Im
allgemeinen lässt sich nur behaupten, dass mehr oder weniger
im ganzen Regierungsbezirke sich gastrische Fieber zeigten, die,
oft in nervöse übergehend, ira Spätherb&te mit katarrhalischen
oder rheumatischen Zufällen verkamen und dass auch die Wech
selfieber in Gegenden, wo sie endemisch sind, seit der Cholera
nicht so häufig, als im Oct. und Nov. v. J. geherrscht, oft sich
äusserst hartnäckig mit 4tägigem Typus gezeigt und grosse Nei
gung zu Rückfällen und Nachkrankheiten hinterlassen haben. Man
nahm au, dass ausserordentliche Hitze und Trockenheit des letz
ten Sommers in den Schleimhäuten, überhaupt, besonders in Darm
canal und Leber, krankhafte Stimmung erzeugt habe, bei der
geringe Veranlassung jene Uebel zum Ausbruche bringen konnte.
Als solche Veranlassungen betrachtete inan gewöhnlich Erkältun
gen, die bei höchst unbeständiger .Beschaffenheit der Atmosphäre,
schnellem Windwechsel und oft binnen 24 Stunden Statt finden
dem grossen Abstande von Frost- und Thauwetter, Regen und
Schnee ungemein oft erfolgen mussten. Unter diesen Einflüssen
bildeten sich je nach den Individuen und Organen vielfache rheu
matische und katarrhalische Uebel aus, vorwalteud aber blieb
fast überall als Grundcharakter der gastrische, mit starker Hin
neigung zum nervösen. So standen die Sachen auch in Oppeln,
als daselbst in der ersten Hälfte des Nov., nachdem inan schon
früher häufige Durchfälle bemerkt hatte, ein gastrisch-rheumati
sches Nervenfieber auftrat, das, bald sich zur Epidemie gestal
tend, 3 Monate geherrscht und sehr Viele befallen hat. Die
Krankheit erschien mit Frost und Hitze, wobei Durchfall gleich
zeitig entstand, oder, wenn selbiger schon Tage und Wochen zu
gegen gewesen, sich plötzlich vermehrte und allgemeine Mattig
keit, Gliederschmerzen, Kopfweh, Druck und Beängstigung um
die Herzgrube, Abscheu vor aller Nahrung, zuweilen auch Er
brechen, oder doch Atifstossen und Uebelkeiten bemerkt wurden.
Das Fieber, meist mit weichem, kleinem, selten mit vollerem
oder härterem Pulse, nahm gegen Abend und Nachts zu und
wurde dann von heftigem Kopfschmerze, grossem Durste und
Schlaflosigkeit, häufig auch von Delirien, Ohrensausen, Taub
heit und Schlafsucht begleitet. Der Nachlass erfolgte hei Eini
gen unter wässerigem, das Uebel nicht entscheidendem Schweiss
gegen Morgen; bei Vielen hingegen blieb die Haut stets trocken,
und erst gegen Ende der Krankheit trat massige, dann aber meist
heilsame Ausdünstung ein. Die Zunge war bei Kindern und jüu-