VI. Staatsarzneikunde
niemals ausgeübt zu haben behauptete. Letzteres ward zugege-
ben und dabei erwähnt: ein Mann habe mit seinem entblössten
Gliede ihre Geburtstheile berührt, wodurch ihre Wollust rege
geworden, und als der Reiz bei ihr aufs Höchste gestiegen, sey
in demselben Augenblicke des Mannes Samen gegen die Oeffnung
ihres Jungfernhäutchens gespritzt, der feine Dunst desselben von
ihren sehr angespaunten Geburtstheilen schnell angezogen und
30 die Conception bewirkt worden. Sie beruhigte sich nun und
gestand später, dass sie im April bloss ein Mal von ihrem Brot-
herrn, der den Vorgang eben so erzählte, und weiter von Nie-
mandem, auf obige Weise berührt worden sey. Im Januar ward sie
entbunden. — 2) Auf ihre erwachsene Tochter hatte die Mutter
einer wohlhabenden Familie Verdacht von Schwangerschaft. Das
Mädchen fühlte sich deshalb sehr gekränkt und versicherte hoch
und theuer, auf diese Art niemals mit einem Manne zu thun
gehabt zu haben. Indessen hatte es ein Verhältnise mit einem
jungen Manne, den die Eltern nicht zum Schwiegersohne ha-
ben wollten, und dem Grame über dieses Verhältniss schrieb es
das Ausbleiben seiner Regeln und das Anschwellen seines Un-
terleibes zu. Die Untersuchung des Unterleibes bestätigte obi-
gen Verdacht; aber der Eingang in die Mutterscheide ward durch
ein ganz vollkommenes, sehr dünnes und zartes Hymen verschlos-
sen. Dicht unter der Harnröhrenmündung war die natürliche,
aber sehr kleine Oeffnung desselben. Der nnleugbaren Schwan-
gerschaft ungeachtet, entrüstete sich ‚die Person ob des Ver-
dachtes; nachdem sie aber dieselbe Belehrung erhielt, welche
der Dienstmagd in voriger Geschichte zu Theil geworden, sank
sie sinnlos nieder und bestätigte, wie auch ihr Geliebter, später
den Hergang der Vorhochzeit. — 3) Eine Frau, die schon ein
Mal geboren hatte, war bei der zweiten Entbindung von unwis-
senden Hebammen gemisshandelt worden. Die Harnblase war
durchlöchert und die Mutterscheide verengert. Drei Wochen
nach der Entbindung mit der Zange fand R. dicht hinter der
Biasenwunde die Mutterscheide so eng zusammengeschnürt, dass
kaum eine gewöhnliche Knopfsonde eingebracht werden konnte,
Wollte der Mann mit dieser Frau concubiren, so musste er sich
mit dem sogenannten Vorhofe begnügen: die Scheide selbst war
und blieb ihm verschlossen. Dennoch ward die Frau zum dritten
Male schwanger und abermals entbunden, indem, wie voriges
Mal, die verengerte Scheide künstlich erweitert werden musste,
— Diese dritte Empfängniss genannter Frau hat mit den in bei-
den vorstehenden Fällen die grösste Aehnlichkeit und beweist
gleich ihnen, dass es bei der Befruchtung nicht auf die Quanti-
tät, sondern auf die Qualität des Samens ankommt, und dass
selbige schon durch den Halitus seminis bewirkt wird (quod nor
negamus). [Casper’s Wochenschrift f. d. ges. Heilkunde, 1835,
Kedacteur: Dr. E. ıl. Kneschke. — Verleger: E. F. Steinacker.